Mehr als ein Kinderbuch
Agnieszka lebt in einem kleinen Dorf in einem ruhigen Tal. Doch das Tal grenzt an den Dunklen Wald und dieser ist ein Ort des Grauens, der sich immer weiter ausbreitet. Die Talbewohner wissen um die Gefahren, ...
Agnieszka lebt in einem kleinen Dorf in einem ruhigen Tal. Doch das Tal grenzt an den Dunklen Wald und dieser ist ein Ort des Grauens, der sich immer weiter ausbreitet. Die Talbewohner wissen um die Gefahren, doch manchmal kann sie auch das nicht retten und der Dunkle Wald greift sich ein neues Opfer oder rückt ein Stück weiter ins Tal hinein.
Nur der Zauberer, genannt der Drache, kann dem Dunklen Wald wenigstens teilweise Einhalt gebieten. Alle zehn Jahre wird ihm dafür ein junges Mädchen aus einem der Dörfer gegeben. Niemand weiß genau, was der Drache mit den Mädchen tut, sie sprechen danach nie über ihre Zeit mit dem Zauberer und setzen ihr Leben anderswo fort.
Agnieszka hat sich immer sicher gefühlt, denn ihre beste Freundin Kasia ist so schön und vielseitig begabt, dass schon seit Jahren für alle Talbewohner feststeht, dass der Drache Kasia aussuchen wird. Doch seine Wahl fällt überraschend auf Agnieszka und so muss sie ihm in seinen Turm folgen. Ihr Leben ändert sich damit von Grund auf – und nicht nur ihr Leben!
Ich muss gestehen, ich bin erstaunt, dass das Buch in Deutschland in einem Jugendbuchverlag erschienen ist. Agnieszka ist zwar eine jugendliche Protagonistin, aber die Geschichte an sich entwickelt sich unerwartet komplex und vielschichtig. Ich will damit nicht sagen, dass Jugendliche nicht in der Lage sind, anspruchsvolle Bücher zu lesen (oder mit einer relativ detailliert beschriebenen Liebesszene klarzukommen), aber ich könnte mir vorstellen, dass dieses Buch so einigen erwachsenen Lesern entgeht, die sich vom Label Jugendbuch abschrecken lassen.
Zurück zur Geschichte an sich: Man muss sich auf die Erzählweise der Autorin einlassen können. Es wird nicht viel erklärt, vieles muss als gegeben hingenommen werden, insbesondere was die Magie betrifft und noch viel mehr, wenn es um den Dunklen Wald geht. Hier kann man sich als Leser entweder seine eigenen Gedanken und Interpretationen machen, oder man nimmt eben hin, dass manches einfach so ist und nicht erklärt werden kann und soll. Ich konnte mich darauf einlassen und war sogar zunehmend fasziniert von dieser Welt, so wie sie eben ist.
Allerdings hatte das Buch für mich im Mittelteil einige Längen, hier fiel es mir schwer, am Ball zu bleiben und weiterzulesen. Falls das noch jemandem so geht, empfehle ich aber unbedingt durchzuhalten, denn die Geschichte nimmt wieder mehr Fahrt auf und es wird wieder spannender!
Agnieszka als Protagonistin macht es dem Leser nicht unbedingt leicht, denn sie stellt sich, gerade zu Beginn, streckenweise so dumm und sinnlos widerborstig an, dass ich ihr wirklich gerne einen Schubs gegeben hätte. Aber auch der Drache glänzt nicht gerade durch Kommunikation und er ist immerhin kein verängstigter Teenager! Umso schöner ist Agnieszkas Entwicklung zu beobachten und auch die Entwicklung zwischen ihr und dem Drachen, die glücklicherweise nicht in eine kitschige Twilight-Romanze mündet, sondern ein langsames miteinander Wachsen und Erleben ist.
Insgesamt für mich eine äußerst spannende Entdeckung und ich bin sicher, dieses Buch offenbart bei nochmaligem Lesen noch viele bemerkenswerte Details – wenn man sich darauf einlassen kann!