Leserunde zu "Das verschlossene Zimmer" von Rachel Givney

Gefühlvoll, ohne kitschig zu sein, ein wahrer Pageturner
Cover-Bild Das verschlossene Zimmer
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Rachel Givney (Autor)

Das verschlossene Zimmer

Roman

Ute Leibmann (Übersetzer)

Wie viele Geheimnisse erträgt eine Familie?


Krakau, im Frühjahr 1939. Alle Zeichen stehen auf Krieg, denn das Deutsche Reich treibt seine Angriffspläne auf Polen unbarmherzig voran. Die junge Marie aber beschäftigen ganz anderen Fragen: Wer ist ihre Mutter? Warum verschwand sie, als Marie ein Kleinkind war? Und warum verweigert ihr Vater, ein renommierter Arzt, jedes Gespräch über sie? Als sie die Ungewissheit nicht mehr aushält, entschließt Marie sich zu einem drastischen Schritt.


Marie zog eine Haarnadel aus ihrem blonden Haar. Bisher verfügte sie über keinerlei Erfahrungen als Einbrecherin, doch Olaf, ein ortsansässiger Tunichtgut, der zusammen mit ihr in der Straßenbahn zur Schule fuhr, hatte sich ihr gegenüber in dieser Woche damit gebrüstet, dass es ein Leichtes sei, ein Schloss mit einem schmalen Metallstück aufzubrechen. "Einfach nur reinschieben und ein bisschen hin und her ruckeln", hatte er geprahlt.

Marie musterte den Messingdraht und lächelte. In der Regel sahen die Leute in einer Haarnadel nur ein Accessoire, mit dem man seine Frisur bändigen konnte. Marie sah darin etwas anderes - einen Schlüssel.


Als Marie das Zimmer ihres Vaters aufbricht und durchsucht, riskiert sie, dadurch sein Vertrauen zu verspielen. Doch sie hat keine andere Wahl: Sie muss wissen, was aus ihrer Mutter wurde ...


Rachel Givney erzählt eindrucksvoll davon, was eine Familie ausmacht. Ein Roman, der zutiefst bewegt und nachhallt.

Timing der Leserunde

  1. Bewerben 20.12.2021 - 09.01.2022
  2. Lesen 31.01.2022 - 27.02.2022
  3. Rezensieren 28.02.2022 - 13.03.2022

Bereits beendet

Schlagworte

Frauenleben Identität Familiengeheimnis Polen Krakau Lemberg Ärztin Medizin jüdisches Leben Vorkriegszeit Lwiw Nationalsozialismus Antisemitismus Vater Tochter Flucht Medizingeschichte Frauenstudium, bewegend unvergesslich Literarische Unterhaltung

Teilnehmer

Diskussion und Eindrücke zur Leserunde

Abschnitt 2, KW 6, Seite 138 bis 258, inkl. Kapitel 20

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Gavroche

Mitglied seit 16.08.2016

Kein Tag ohne zu lesen

Veröffentlicht am 10.02.2022 um 18:50 Uhr

Schugga schrieb am 08.02.2022 um 07:57 Uhr

Bin grad nicht so begeistert. Diese ganze strunzdumme Naivität, welche Marie von Anfang an angedichtet wurde, war nur Mittel zum Zweck, damit sie im Roman zum Judentum konvertiert? Mal ehrlich, nicht nur, dass sie die ganzen faschistischen Handlungen den Juden gegenüber mit links abtut - die Geschehnisse der Reichskristallnacht scheinen sie nicht weiter emotional zu berühren wie die Wettervorhersage!? Nackt zu Brei getreten - ja, doof, aber ihr egal?! Zudem hat sie auch mal eben wochenlang die Recherchen zu ihrer Mutter glatt vergessen, obwohl die doch soooo wichtig waren?
Und ihr Vater: Seit Jahren hat er sich erfolgreich verstellt, ist angesehen und souverän, bleibt nach aussen selbst in Gefahrensituationen ruhig - und soll jetzt plötzlich nervös werden, nur weil KollegInnen ihn nach seiner Herkunft fragen? Was für ein Quatsch! Dass er austickt, weil seine Tochter nun Jüdin ist - verständlich. Aber Schlampe? Sorry, das Wort passt nicht zum Charakter, das wäre, als hätte ich "versehentlich" auf hessisch geflucht. btw: Ich dachte, sie ist erst 17? Oder hab ich ihren Geburtstag überlesen? Hätte da nicht sein Einverständnis erforderlich sein müssen? Und darf sie ohne Geburtsurkunde heiraten? Fragen über Fragen...
Johnnys Schauspiel, die besoffene Witwernummer und dann der gutmeinende Freund aus dem Norden - bisher traue ich ihm nicht, das könnte weiterhin Fake sein, um Domeks Vertrauen zu gewinnen und ihm dann in den Rücken zu fallen. Zur damaligen Zeit durchaus möglich.
Der Part über Maries Mutter war mir zu kurz.
Weiß jemand etwas genauer, welches Problem die Polen mit Lemberg (Ukraine) haben?

Strunzdumme Naivität 😂👍 sehr passend.
Im ersten Abschnitt war ich noch wohlwollend, erstmal die Charaktere kennen lernen, aber jetzt ärgert mich doch sehr viel.

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Gavroche

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Kein Tag ohne zu lesen

Veröffentlicht am 10.02.2022 um 18:53 Uhr

Ich kann einfach nicht nachvollziehen wie Marie in einer solchen Zeit konvertieren kann und das trotz der Warnungen. Allerdings fand ich die Reaktion ihres Vaters auch im Ton völlig daneben.
Ich hoffe, der nächste Abschnitt reißt es wieder raus. Im Moment bin ich nicht so zufrieden mit dem Buch.

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Schnuppe

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Lesen heißt durch fremde Hand träumen. Fernando Pessoa

Veröffentlicht am 10.02.2022 um 18:54 Uhr

Zitat von Maria_12

Einfach so nebenbei, erzählt Marie ihrem Vater, dass sie jetzt Jüdin ist und Ben in vier Wochen heiraten wird. Jetzt ist nicht nur Dominik sprachlos sondern auch ich!


In dem ganzen Abschnitt fehlen mir berührende Momente aller Protagonisten und Tiefe in den Handlungen ...



Das fand ich auch heftig. Sie erzählt dem Vater das so nebenbei, als wäre er ein Fremder. Mir fehlt da die Wertschätzung ihm gegenüber. Ist er für sie nur der Versorger, den sie abstraft, weil er ihr den Umgang mit Ben verboten hat.
Solche Verbote und arrangierte Ehen gab es in der Zeit öfters, das kann nicht an ihr vorbeigegangen sein. Es muss ihr nicht gefallen, aber ihr Verhalten ist auch nicht i.O. . Sie scheint immer nur zu geeigneten Momenten gut informiert und einsichtig zu sein, in anderen ist sie egoistisch oder naiv.

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Gavroche

Mitglied seit 16.08.2016

Kein Tag ohne zu lesen

Veröffentlicht am 10.02.2022 um 19:05 Uhr

Schugga schrieb am 08.02.2022 um 09:30 Uhr

Zitat von Suzi

Beispielsweise verwundert mich die Aufgabenverteilung im Haushalt des Doktors. Zum einen übernimmt er als vielbeschäftigter Mann in einer Zeit des verfestigten Geschlechterklischees Aufgaben einer Hausfrau, indem er Marie Essen kocht und dafür sogar seine Arbeit unterbricht. Andererseits sieht er als ihre zukünftige Aufgabe, statt eines Studiums wie es ihr Wunsch ist, sie als Ehefrau, Mutter und Hausfrau. So wie ich das verstanden habe, geht Marie keiner Tätigkeit nach - da wäre es in meinen Augen das mindeste (und auch typischere) das sie ihren Vater im Haushalt unterstützt.


Dem stimme ich zu, er hätte sie allmählich mal anlernen müssen, mit einer Aussteuer alleine wird das nichts, wenn sie nicht mal ihre Wäsche waschen kann oder Essen kochen. So hart es klingt, aber zur damaligen Zeit wird sie dadurch für einen Mann uninteressant.

Zitat von Suzi

Des Weiteren macht Marie auf mich einen etwas naiven oder weltfremden Eindruck. Zwar ist sie in der Lage sich den Lehrstoff der Chemiestudenten während ihres Eignungstestes selbst anzueignen. Aber sehr behütet durch den Vater aufgewachsen kann (oder will) sie das sich ankündigende Unheil nicht wahrhaben. Sicher ist es einfacher mit dem heutigen Kenntnisstand die Situation damals zu beurteilen, aber mich hätten die vielen z.T. versteckten Hinweise und Andeutungen stutzig gemacht.
Auch ihre schon fast trotzige Reaktion  des Religionswechsels passt eher zu einem Teenager als zu einer jungen Frau.


Mittlerweile denke ich auch, dass ihre schon übertrieben anmutende Naivität Mittel zum Zweck der Autorin ist, sie völlig unbedarft zum Judentum konvertieren zu lassen, damit die Story in die gewünschte Richtung driftet. In meinen Augen leider unglaubwürdig.

Diese fehlende Anleitung in Haushaltsdingen hat mich auch sehr gestört. Und dann diese unglaubliche Naivität. Aber auch, dass Ben es zugelassen hat und es für ihn das schönste Geschenk ist. Sieht denn nicht wenigstens er die Gefahren?

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Gavroche

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Kein Tag ohne zu lesen

Veröffentlicht am 10.02.2022 um 19:08 Uhr

claudi-1963 schrieb am 09.02.2022 um 05:05 Uhr

Kann ich in vielem beipflichten was du da geschrieben hast. Allerdings glaube ich nicht das Johnny sich verstellt. Ich denke eher, das die Gefahr von Wolanski aus geht. Für mich ist er ein ganz unberechenbarer Kollege.
Und was Maries Wechsel zum Judentum anbelangt, kann ich ebenfalls nicht verstehe das dies so problemlos ging. Zumal man doch zu der Zeit erst mit 21 volljährig war, oder? Aber vielleicht war das in Polen anders?

Wolanski ist definitiv gefährlich, aber nicht sonderlich schlau oder er verstellt sich gut.

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Gavroche

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Kein Tag ohne zu lesen

Veröffentlicht am 10.02.2022 um 19:09 Uhr

Schnuppe schrieb am 10.02.2022 um 18:34 Uhr

Zitat von TochterAlice

1939 sind die ganzen Entwicklungen in Nazideutschland schon so weit fortgeschritten, dass es viel zu riskant ist, den jüdischen Glauben anzunehmen, vor allem in Polen! Deswegen kann ich nur zu gut verstehen, wie geschockt der Vater ist.



Vor diesem Hintergrund wundert es mich auch, dass der Rabbi dem Wechsel zugestimmt hat. Die Geschichte, die er aus Dresden erzählte, diente wozu ...???

Ja, da hätten der Rabbi und seine Frau hartnäckiger sein müssen.

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Schugga

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Spannung siegt!

Veröffentlicht am 10.02.2022 um 20:13 Uhr

Schnuppe schrieb am 10.02.2022 um 18:30 Uhr

Ich habe den zweiten Leseabschnitt nun auch durch. So richtig hat mich die Lektüre nicht mehr am Wickel. Die Kapitel sind immer irgendwie kurz und man lernt nichts richtig kennen. Die Charaktere entwickeln sich merkwürdig, es scheint sie werden der gefragten Situation angepasst und so ergibt sich einfach kein stimmiges Bild, das zum Weiterlesen animiert.
Ich fand Dominik schon im ersten Abschnitt zu überperfekt, was seine Aufgaben angeht. Aber um Marie als Person scheint er sich nicht wirklich zu kümmern, aber nun gut, in dieser Zeit war das Eltern Kind Verhältnis ein anderes und es wurde ggfs. auch mehr auf Gehorsam gesetzt. Ich habe nicht den Eindruck dass die Beiden sich herzlich zugetan sind und sich wirklich gut kennen.
Die Reaktion auf die angekündigte Recherche zu seiner Vergangenheit fand ich für einen so in sich ruhenden Mann, der schon jahrelang geübt ist sich zu verstellen und unnahbar zu sein, überzogen. Da er nun auf diese Ankündigung angesprungen ist, wird er sich dazu noch mehr anhören müssen. Da weht zukünftig ein anderer Wind.
Johnny ist mir suspekt. Ich glaube er kann durch seine Art und Weise allein eine Gefahr für seine Umwelt darstellen. Komischer Kerl.
Das der Rabbi Marie ohne die Einwilligung des Vaters - von dem er auch soviel hält - konvertieren lässt, fand ich unglaubwürdig. Damals wurden bei den Juden die Ehen häufig vermittelt, dass die wahre Liebe ihn zum Handeln überzeugt passt nicht für mich.
Marie lernt im Eiltempo die Regeln, die nun bald für sie gelten werden. Ob das ausreicht? Die Regeln zu kennen, ist nicht dasselbe wie sie auch täglich anzuwenden. So einfach wird es nicht sein aus alten Gewohnheiten auszubrechen.
Als Marie im Amt die Papiere durchsieht kann sie gleich für den Beamten aufräumen und ein neues System Einpflegen. Ja klar ... Als sie von den Spenden des Vaters hört zieht sie sofort den Vergleich zu einem Verbrecher von dem sie gehört hat ... Da gehen doch wohl die Pferde mit ihr durch. Mal ist sie so - mal so, ich kann dieses Mädchen nicht fassen.
Die Geschichte der Mutter hat gerade erst begonnen. Da bin ich gespannt wie es weitergeht.
Insgesamt hatte ich mir von dem Buch mehr versprochen. Mir kommt vieles Gewollt vor und nicht realistisch. Schade.

In vielen Punkten denke ich ähnlich wie du. Mir sind die Charaktere nicht stimmig genug, mal so, dann wieder so, je nachdem, wie es am besten zur Handlung und zur gewünschten Richtung der Autorin passt.

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Schugga

Mitglied seit 26.05.2016

Spannung siegt!

Veröffentlicht am 10.02.2022 um 20:20 Uhr

Gavroche schrieb am 10.02.2022 um 19:08 Uhr

Wolanski ist definitiv gefährlich, aber nicht sonderlich schlau oder er verstellt sich gut.

Der muss nicht schlau sein, er hat mächtige Leute im Rücken. Im Faschismus ist Erfolg nicht unbedingt von Intelligenz abhängig, manchmal reicht auch, sein Fähnchen im richtig Wind flattern zu lassen.

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claudi-1963

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Lebe jeden Tag so, als ob du dein ganzes Leben lang nur für diesen einen Tag gelebt hättest.

Veröffentlicht am 11.02.2022 um 12:52 Uhr

Zitat von Schnuppe

Insgesamt hatte ich mir von dem Buch mehr versprochen. Mir kommt vieles Gewollt vor und nicht realistisch. Schade.


So geht es mir auch, ich hatte mir ebenfalls mehr von dieser Geschichte versprochen. Bisher bin ich auch etwas enttäuscht wie wankelhaft sie verläuft. Einige Szenen sind für mich total unrealistisch geschrieben.

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claudi-1963

Mitglied seit 15.08.2016

Lebe jeden Tag so, als ob du dein ganzes Leben lang nur für diesen einen Tag gelebt hättest.

Veröffentlicht am 11.02.2022 um 12:54 Uhr

Gavroche schrieb am 10.02.2022 um 19:08 Uhr

Wolanski ist definitiv gefährlich, aber nicht sonderlich schlau oder er verstellt sich gut.

Er mag zwar nicht schlau sein, aber ich denke das von ihm die größte Gefahr ausgeht weil er die Nazis anhimmelt.