Leserunde zu "Das verschlossene Zimmer" von Rachel Givney

Gefühlvoll, ohne kitschig zu sein, ein wahrer Pageturner
Cover-Bild Das verschlossene Zimmer
Produktdarstellung
(17)
  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Thema
Rachel Givney (Autor)

Das verschlossene Zimmer

Roman

Ute Leibmann (Übersetzer)

Wie viele Geheimnisse erträgt eine Familie?


Krakau, im Frühjahr 1939. Alle Zeichen stehen auf Krieg, denn das Deutsche Reich treibt seine Angriffspläne auf Polen unbarmherzig voran. Die junge Marie aber beschäftigen ganz anderen Fragen: Wer ist ihre Mutter? Warum verschwand sie, als Marie ein Kleinkind war? Und warum verweigert ihr Vater, ein renommierter Arzt, jedes Gespräch über sie? Als sie die Ungewissheit nicht mehr aushält, entschließt Marie sich zu einem drastischen Schritt.


Marie zog eine Haarnadel aus ihrem blonden Haar. Bisher verfügte sie über keinerlei Erfahrungen als Einbrecherin, doch Olaf, ein ortsansässiger Tunichtgut, der zusammen mit ihr in der Straßenbahn zur Schule fuhr, hatte sich ihr gegenüber in dieser Woche damit gebrüstet, dass es ein Leichtes sei, ein Schloss mit einem schmalen Metallstück aufzubrechen. "Einfach nur reinschieben und ein bisschen hin und her ruckeln", hatte er geprahlt.

Marie musterte den Messingdraht und lächelte. In der Regel sahen die Leute in einer Haarnadel nur ein Accessoire, mit dem man seine Frisur bändigen konnte. Marie sah darin etwas anderes - einen Schlüssel.


Als Marie das Zimmer ihres Vaters aufbricht und durchsucht, riskiert sie, dadurch sein Vertrauen zu verspielen. Doch sie hat keine andere Wahl: Sie muss wissen, was aus ihrer Mutter wurde ...


Rachel Givney erzählt eindrucksvoll davon, was eine Familie ausmacht. Ein Roman, der zutiefst bewegt und nachhallt.

Timing der Leserunde

  1. Bewerben 20.12.2021 - 09.01.2022
  2. Lesen 31.01.2022 - 27.02.2022
  3. Rezensieren 28.02.2022 - 13.03.2022

Bereits beendet

Schlagworte

Frauenleben Identität Familiengeheimnis Polen Krakau Lemberg Ärztin Medizin jüdisches Leben Vorkriegszeit Lwiw Nationalsozialismus Antisemitismus Vater Tochter Flucht Medizingeschichte Frauenstudium, bewegend unvergesslich Literarische Unterhaltung

Teilnehmer

Diskussion und Eindrücke zur Leserunde

Abschnitt 2, KW 6, Seite 138 bis 258, inkl. Kapitel 20

Profilbild von Suzi

Suzi

Mitglied seit 02.02.2018

In Büchern liegt die Seele aller gewesenen Zeit. (Thomas Carlyle)..

Veröffentlicht am 07.02.2022 um 07:27 Uhr

Für mich gibt es leider einiges in der Geschichte, was nicht so richtig zusammenzupassen scheint:
Beispielsweise verwundert mich die Aufgabenverteilung im Haushalt des Doktors. Zum einen übernimmt er als vielbeschäftigter Mann in einer Zeit des verfestigten Geschlechterklischees Aufgaben einer Hausfrau, indem er Marie Essen kocht und dafür sogar seine Arbeit unterbricht. Andererseits sieht er als ihre zukünftige Aufgabe, statt eines Studiums wie es ihr Wunsch ist, sie als Ehefrau, Mutter und Hausfrau. So wie ich das verstanden habe, geht Marie keiner Tätigkeit nach - da wäre es in meinen Augen das mindeste (und auch typischere) das sie ihren Vater im Haushalt unterstützt.

Des Weiteren macht Marie auf mich einen etwas naiven oder weltfremden Eindruck. Zwar ist sie in der Lage sich den Lehrstoff der Chemiestudenten während ihres Eignungstestes selbst anzueignen. Aber sehr behütet durch den Vater aufgewachsen kann (oder will) sie das sich ankündigende Unheil nicht wahrhaben. Sicher ist es einfacher mit dem heutigen Kenntnisstand die Situation damals zu beurteilen, aber mich hätten die vielen z.T. versteckten Hinweise und Andeutungen stutzig gemacht.
Auch ihre schon fast trotzige Reaktion  des Religionswechsels passt eher zu einem Teenager als zu einer jungen Frau.

Ich bin gespannt, wie sich alles weiter entwickelt. Momentan sind mir Marie und ihr Vater wegen ihres Verhalten bzw. Auftreten noch nicht ganz so symphatisch, wie es vielleicht für die Hauptpersonen eines Romans sein sollte...

Profilbild von TochterAlice

TochterAlice

Mitglied seit 15.08.2017

“Oh, to be reborn within the pages of a book.” Patti Smith

Veröffentlicht am 07.02.2022 um 13:45 Uhr

Suzi schrieb am 07.02.2022 um 07:27 Uhr

Für mich gibt es leider einiges in der Geschichte, was nicht so richtig zusammenzupassen scheint:
Beispielsweise verwundert mich die Aufgabenverteilung im Haushalt des Doktors. Zum einen übernimmt er als vielbeschäftigter Mann in einer Zeit des verfestigten Geschlechterklischees Aufgaben einer Hausfrau, indem er Marie Essen kocht und dafür sogar seine Arbeit unterbricht. Andererseits sieht er als ihre zukünftige Aufgabe, statt eines Studiums wie es ihr Wunsch ist, sie als Ehefrau, Mutter und Hausfrau. So wie ich das verstanden habe, geht Marie keiner Tätigkeit nach - da wäre es in meinen Augen das mindeste (und auch typischere) das sie ihren Vater im Haushalt unterstützt.

Des Weiteren macht Marie auf mich einen etwas naiven oder weltfremden Eindruck. Zwar ist sie in der Lage sich den Lehrstoff der Chemiestudenten während ihres Eignungstestes selbst anzueignen. Aber sehr behütet durch den Vater aufgewachsen kann (oder will) sie das sich ankündigende Unheil nicht wahrhaben. Sicher ist es einfacher mit dem heutigen Kenntnisstand die Situation damals zu beurteilen, aber mich hätten die vielen z.T. versteckten Hinweise und Andeutungen stutzig gemacht.
Auch ihre schon fast trotzige Reaktion  des Religionswechsels passt eher zu einem Teenager als zu einer jungen Frau.

Ich bin gespannt, wie sich alles weiter entwickelt. Momentan sind mir Marie und ihr Vater wegen ihres Verhalten bzw. Auftreten noch nicht ganz so symphatisch, wie es vielleicht für die Hauptpersonen eines Romans sein sollte...

Hinsichtlich Deiner Beobachtungen bin ich ganz bei Dir. Aber mittlerweile neige ich zu der Annahme, dass Maries Vater auch überhaupt kein typischer Mann (genau genommen: gar keiner ) ist und dann wäre es wiederum schlüssig.

Profilbild von TochterAlice

TochterAlice

Mitglied seit 15.08.2017

“Oh, to be reborn within the pages of a book.” Patti Smith

Veröffentlicht am 07.02.2022 um 13:54 Uhr

Marie wird sehr behütet; das Erste, was sie tut, ohne ihren Vater davon in Kenntnis zu setzen, ist, zum Judentum zu konvertieren. Ein sehr extremer Schritt ihrerseits, der sich wieder nahtlos in ihren sehr naiven Blick auf die Welt einfügt.

Finde ich zumindest. Wenn sie ihn so sehr liebt, hätte doch jede Frau in dieser furchtbar gefährlichen Zeit versucht, ihn zu überreden, ihren Glauben, in diesem Fall den katholischen, anzunehmen, rein aus Vernunftsgründen.

1939 sind die ganzen Entwicklungen in Nazideutschland schon so weit fortgeschritten, dass es viel zu riskant ist, den jüdischen Glauben anzunehmen, vor allem in Polen! Deswegen kann ich nur zu gut verstehen, wie geschockt der Vater ist.

Apropos Vater: Was glaubt Ihr, warum es diese ausführliche Schilderung zu den Jugendtagen von Helenes Mutter gibt? In der Gegenwart lesen wir ja nur über den Vater, weswegen ich vermute, dass die Mutter jetzt der Vater ist. Das würde auch die für diese Zeit erstaunliche Arbeitsaufteilung im Haushalt der Familie erklären.

Das ist auch wieder ein Minuspunkt, dass hier so vieles so offen dargelegt wird, finde ich. Sehr spannend ist es nicht und ich brenne auch gar nicht mehr darauf, weiterzulesen. Wie schon jemand im ersten Abschnitt schrieb, hier reiht sich Klischee an Klischee - es wird immer schlimmer damit und daher empfinde ich diese Lektüre mittlerweile als sehr anstrengend.

Profilbild von Suzi

Suzi

Mitglied seit 02.02.2018

In Büchern liegt die Seele aller gewesenen Zeit. (Thomas Carlyle)..

Veröffentlicht am 07.02.2022 um 15:17 Uhr

Zitat von TochterAlice

Apropos Vater: Was glaubt Ihr, warum es diese ausführliche Schilderung zu den Jugendtagen von Helenes Mutter gibt? In der Gegenwart lesen wir ja nur über den Vater, weswegen ich vermute, dass die Mutter jetzt der Vater ist. Das würde auch die für diese Zeit erstaunliche Arbeitsaufteilung im Haushalt der Familie erklären.



Guter Gedanke!

Profilbild von Philiene

Philiene

Mitglied seit 17.05.2018

Veröffentlicht am 07.02.2022 um 18:33 Uhr

Suzi schrieb am 07.02.2022 um 15:17 Uhr

Zitat von TochterAlice

Apropos Vater: Was glaubt Ihr, warum es diese ausführliche Schilderung zu den Jugendtagen von Helenes Mutter gibt? In der Gegenwart lesen wir ja nur über den Vater, weswegen ich vermute, dass die Mutter jetzt der Vater ist. Das würde auch die für diese Zeit erstaunliche Arbeitsaufteilung im Haushalt der Familie erklären.



Guter Gedanke!

Ja ein wirklich interessanter Gedanke, wäre ich ehrlich gesagt nie drauf gekommen.

Profilbild von Philiene

Philiene

Mitglied seit 17.05.2018

Veröffentlicht am 07.02.2022 um 18:36 Uhr

Zitat von Suzi

Ich bin gespannt, wie sich alles weiter entwickelt. Momentan sind mir Marie und ihr Vater wegen ihres Verhalten bzw. Auftreten noch nicht ganz so symphatisch, wie es vielleicht für die Hauptpersonen eines Romans sein sollte...



Das sehe ich genau wie du. Ich habe sonst oft das Gefühl das ich die Hauptpersonen wirklich kenne und habe ein klares Bild von ihnen vor Augen. Leider ist das hier nicht ganz so.

Profilbild von TochterAlice

TochterAlice

Mitglied seit 15.08.2017

“Oh, to be reborn within the pages of a book.” Patti Smith

Veröffentlicht am 07.02.2022 um 18:39 Uhr

Philiene schrieb am 07.02.2022 um 18:33 Uhr

Ja ein wirklich interessanter Gedanke, wäre ich ehrlich gesagt nie drauf gekommen.

Also,ich habe daran gedacht, weil der Vater so häuslich ist und trotz seines anstrengenden Jobs seine Tochter auch noch in einem Alter betüttelt, in dem sie es nicht mehr nötig hat.

Dann spricht er diesen Dialekt, aber in der Rückblende ist es Marias Mutter, die dort lebt und beim Apotheker (der wiederum den Namen des Vaters trägt, zumindest den Famliennamen) arbeitet und ihn unterstützt... dass dieser gebrechliche Mann in Krakau aufschlägt und im Krankenhaus arbeitet, kann ich mir nicht vorstellen.

Vielleicht ist es ja auch zu abwegig, aber sobald diese Rückblende kam, drängte sich mir der Gedanke auf!

Profilbild von Philiene

Philiene

Mitglied seit 17.05.2018

Veröffentlicht am 07.02.2022 um 18:39 Uhr

Ich bin hier etwas Zwiebelspalten. Einerseits liest sich das Buch gut und ich komme schnell durch die Seiten. Andererseits kann ich irgendwie keine richtige Beziehung zu Marie und ihrem Vater aufbauen.

Gut gefallen hat mir das Kapitel mit Johnny, als er seine Geschichte erzählt hat. Das hat doch einiges über ihn ausgesagt.

Profilbild von Philiene

Philiene

Mitglied seit 17.05.2018

Veröffentlicht am 07.02.2022 um 18:43 Uhr

TochterAlice schrieb am 07.02.2022 um 18:39 Uhr

Also,ich habe daran gedacht, weil der Vater so häuslich ist und trotz seines anstrengenden Jobs seine Tochter auch noch in einem Alter betüttelt, in dem sie es nicht mehr nötig hat.

Dann spricht er diesen Dialekt, aber in der Rückblende ist es Marias Mutter, die dort lebt und beim Apotheker (der wiederum den Namen des Vaters trägt, zumindest den Famliennamen) arbeitet und ihn unterstützt... dass dieser gebrechliche Mann in Krakau aufschlägt und im Krankenhaus arbeitet, kann ich mir nicht vorstellen.

Vielleicht ist es ja auch zu abwegig, aber sobald diese Rückblende kam, drängte sich mir der Gedanke auf!

Nach deiner Erklärung kann ich mir deine These auch gut vorstellen, ich wäre nur nie auf den Gedanken gekommen. Ich habe bei dem Kapitel das 1918 spielt die ganze Zeit darauf gewartet das sie Dominik kennenlernt.
Aber das ist ja das schöne an Leserunden, das durch unterschiedliche Leser/ Leserinnen völlig unterschiedliche Gedanken zur Sprache kommen.

Profilbild von Schugga

Schugga

Mitglied seit 26.05.2016

Spannung siegt!

Veröffentlicht am 08.02.2022 um 07:57 Uhr

Bin grad nicht so begeistert. Diese ganze strunzdumme Naivität, welche Marie von Anfang an angedichtet wurde, war nur Mittel zum Zweck, damit sie im Roman zum Judentum konvertiert? Mal ehrlich, nicht nur, dass sie die ganzen faschistischen Handlungen den Juden gegenüber mit links abtut - die Geschehnisse der Reichskristallnacht scheinen sie nicht weiter emotional zu berühren wie die Wettervorhersage!? Nackt zu Brei getreten - ja, doof, aber ihr egal?! Zudem hat sie auch mal eben wochenlang die Recherchen zu ihrer Mutter glatt vergessen, obwohl die doch soooo wichtig waren?
Und ihr Vater: Seit Jahren hat er sich erfolgreich verstellt, ist angesehen und souverän, bleibt nach aussen selbst in Gefahrensituationen ruhig - und soll jetzt plötzlich nervös werden, nur weil KollegInnen ihn nach seiner Herkunft fragen? Was für ein Quatsch! Dass er austickt, weil seine Tochter nun Jüdin ist - verständlich. Aber Schlampe? Sorry, das Wort passt nicht zum Charakter, das wäre, als hätte ich "versehentlich" auf hessisch geflucht. btw: Ich dachte, sie ist erst 17? Oder hab ich ihren Geburtstag überlesen? Hätte da nicht sein Einverständnis erforderlich sein müssen? Und darf sie ohne Geburtsurkunde heiraten? Fragen über Fragen...
Johnnys Schauspiel, die besoffene Witwernummer und dann der gutmeinende Freund aus dem Norden - bisher traue ich ihm nicht, das könnte weiterhin Fake sein, um Domeks Vertrauen zu gewinnen und ihm dann in den Rücken zu fallen. Zur damaligen Zeit durchaus möglich.
Der Part über Maries Mutter war mir zu kurz.
Weiß jemand etwas genauer, welches Problem die Polen mit Lemberg (Ukraine) haben?