„Nichts war doch unerschöpflicher als das einfache Leben, als die einfachen Menschen.“
Der Roman „Die Eigensinnige. Marie von Ebner-Eschenbach und die Macht der Worte“ von Lucca Müller
Als ich erfahren habe, dass es in der Lesejury des Bastei-Lübbe-Verlags eine Leserunde geben wird zu Lucca ...
Der Roman „Die Eigensinnige. Marie von Ebner-Eschenbach und die Macht der Worte“ von Lucca Müller
Als ich erfahren habe, dass es in der Lesejury des Bastei-Lübbe-Verlags eine Leserunde geben wird zu Lucca Müllers Roman „Die Eigensinnige. Marie von Ebner-Eschenbach und die Macht der Worte“ war ich sofort begeistert. Schon lange habe ich eine gute Erinnerung an die Erzählung „Krambambuli“ von Marie von Ebner-Eschenbach. Der erste Satz dieser Tiergeschichte sitzt fest bei mir, in meinem Herzen: „Vorliebe empfindet der Mensch für allerlei Gegenstände, Liebe, die echte, unvergängliche, die lernt er - wenn überhaupt – nur einmal kennen.“ Diese Schriftstellerin hat eine gute Beobachtungsgabe und ein sehr feines Mitgefühl mit dem leidenden Tier, das zwischen zwei Herren hin und hergerissen ist. Marie von Ebner-Eschenbach lebte von 1830-1916. Sie hat das lange 19. Jahrhundert und auch die beginnende Industrialisierung erlebt. In dieser Zeit änderte sich vieles, auch die Rolle der Frau in der Gesellschaft.
Nun habe ich tatsächlich an der Leserunde teilnehmen können und habe das Buch mit Freude gelesen. Es ist eine gut gelungene, im Ganzen sehr stimmige Erzählung über das Leben der Marie von Ebner-Eschenbach etwa von 1847 bis 1884. Sie hatte schon früh den Entschluss, Schriftstellerin zu werden. „Ich will aber schreiben!“, rief sie. „Es gehört zu mir! Warum sollen Frauen das nicht dürfen, Männer aber schon?“ (S.89)
Aber der Weg bis dorthin sollte ein mühsamer, schwieriger Weg werden. Der Schmerz, dass die Ehe kinderlos blieb, nagte oft an ihr. Auch eine Kur verhalf nicht zum erwünschten Kind. Anerkennung in der noch von Männern sehr bestimmten Welt der Literaten des 19.Jh. wird der jungen Frau von Franz Grillparzer dennoch gewährt. Er ermutigte sie. Als der Erfolg sich nicht gleich einstellt, gibt sie nicht auf. Beharrlich und treu verfolgt sie ihr Ziel. Ein Verbot ihres Mannes zu Schreiben und auch eine Belästigung durch den Burgschauspieler Lewinsky bringen sie nicht von ihrem Weg ab. Als ihr Mann, der im Rang eines Feldmarschall-Leutnant beim Militär Dienst tut, schließlich pensioniert wird, kann auch sie sich ohne die Zwänge der Gesellschaft freier bewegen und schreiben. Sie hat mit „Lotti die Uhrmacherin“ Erfolg und auch ihre Novelle „Krambambuli“ wird besonders gewürdigt. Noch heute ist sie eine Schullektüre.
Im 2. Kapitel des vorliegenden Buches gibt es eine Episode, die ähnlich wie in „Krambambuli“ ist. Wolfi, ein junger Hund wird hin- und hergerissen zwischen zwei Herren: Marie und Annuschka. Die Schilderung der Charaktere ist gut getroffen und authentisch. (Seite 24-25) Marie von Ebner-Eschenbach hat eine gute Beobachtungsgabe und ein feines Mitgefühl mit dem leidenden Tier. Für Nepomuk, ihr Pferd in Zdislawitz, hat sie in Lucca Müllers Roman auch eine solche Funktion – und umgekehrt. Das Tier ist ihr treu. Am Ende des Romans, im letzten Kapitel, geht es noch einmal um Marie und Annuschka. Annuschka liest einem Kind etwas von der nun bekannten Schriftstellerin vor. Das Kind wird aber auch selber lesen lernen. „Nichts war doch unerschöpflicher als das Leben, als die einfachen Menschen.“ (S.437) Ihnen hat Marie von Ebner-Eschenbach ein Denkmal gesetzt. Marie von Ebner-Eschenbach wollte mit ihrem Schreiben nicht nur der politischen Belehrung dienen. Sie hatte noch eine andere Absicht: „Kunst lässt sich nicht auf diese Art einengen. Wie soll sie über sich selbst hinausweisen, wenn sie die Antworten schon vorgibt?“ (S.428)
Lucca Müller hat mit ihrem Buch eine sympathische Annäherung an die große Dichterin aus Österreich geschaffen. Ihrem Roman „Die Eigensinnige“ wünsche ich viel Leser!
Mit freundlichen Grüßen!
Hildegard Jonas