Veröffentlicht am 31.10.2021
Ich schätze es, wenn Autoren in ihren Werken historischen Persönlichkeiten Leben einhauchen, und sie mit fiktiven Figuren zusammenführen und in einen atmosphärischen Rahmen setzen und dadurch vergangene ...
Ich schätze es, wenn Autoren in ihren Werken historischen Persönlichkeiten Leben einhauchen, und sie mit fiktiven Figuren zusammenführen und in einen atmosphärischen Rahmen setzen und dadurch vergangene Zeiten erstehen.
Ulf Schiewe liefert hier (wieder) das passende Beispiel dafür. Er kehrt mit seiner Geschichte ins Mittelalter zurück, beleuchtet mit Wissen, Können und Leidenschaft tatsächliche Ereignisse und lässt uns am Schicksal seines Helden Raol teilhaben. Dabei bleibt er erkennbar seinem Schreibstil treu. Denn wieder einmal gelingt es ihm, uns bereits zu Beginn mit detaillierten und bildkräftigen Szenen in Bann zu ziehen, die durch auf gewisse Art greif- und spürbare Schilderung er Ereignisse lebensnah wirken lassen, dies auch durch die Verwendung des Präsens als Zeitform. Er bringt das Geschehen auf den Punkt und steigert das Bedürfnis, unbedingt weiterlesen zu wollen.
Seine Protagonisten sind beeindruckend und vielschichtig. Hier beweisen neben (mächtigen) Männern Frauen, dass sie ihrer vorgezeichneten Rolle einiges entgegensetzen wollen. Mit Melisende begegnen wir einer von ihnen, die ungezügelt temperamentvoll erscheint, kein Blatt vor dem Mund nimmt und trotz ihres Willens und ihrer Entschlossenheit nicht frei in ihrer Entscheidung ist.
An Raol finde ich bemerkenswert, dass und wie er sich mit Glaubensfragen auseinandersetzt. „Vielleicht gibt es auch keinen Gott, und wir bilden uns das alles nur ein.“ (Seite 32) – Diese Gedankengänge sind interessant im Ansatz und für damalige Verhältnisse zudem nicht nur wagemutig, sondern auch gefährlich.
Nun bin ich neugierig, wie sich die beiden – auf den ersten Blick doch recht gegensätzlichen Charaktere – im Verbund mit den anderen im Verlauf der Geschichte entwickeln werden.