Leserunde zu "Gold und Ehre" von Sabine Weiß

Offenbar hatte Oliver doch nichts mit dem Überfall auf Benjamin zu tun, einer seiner Kollegen war es. Wie ich es verstanden habe, erhält B. dann auch seine Sachen weitgehend zurück, aber die Sache zerstört die Freundschaft zu dem Engländer. Dafür kommt er mit den Bauleuten vom Michel gut zurecht und gewinnt in Hans einen neuen und verlässlichen Freund. Das Haus von van Vos nimmt Gestalt an, und er hilft Lucia mit dem Bezug von Steinen aus ihrem Geschäft. Die Beziehung der beiden wird intensiver, obwohl beide in dieser Hinsicht keine Zukunft für sich sehen.

Theo geht auf große Fahrt als zweiter Schiffschirurg. Er wirkt auf mich sehr sympathisch. Brutale Regeln, die es der einfachen Mannschaft verbieten, sich vom Schiffsarzt behandeln zu lassen, wenn sie nicht bezahlen. Theo setzt sich darüber hinweg, was ihm die Matrosen und Schiffsjungen danken. Der Steuermann Yorick, der Theo von Anfang an wie einen gleichgestellten Kollegen behandelt, ist mir auch sehr sympathisch.
Sie lagen nicht vor Madagaskar, sondern vor dem heutigen Ghana und hatten fast schon die Pest an Bord. Die schrecklichen Szenen einer langen Seefahrt hat Sabine Weiß nicht ausgespart, was ich richtig finde. Der Sklavenhandel, damals weit verbreitet, war brutal und furchtbar. Viele Länder haben daraus ihre Profite gezogen. Brutal auch das Ende vom ersten Schiffsarzt und Leif wegen einer homosexuellen Beziehung.

Dass Theo auf dieser Fahrt seine tot geglaubte Tante wiederfindet, mag vielleicht auch ein Grund gewesen sein, weshalb sein Vater ihn auf diese Reise geschickt hat. Selbst Michiel weiß nicht, dass die Tante in Nordamerika lebt. Oder dass sie überhaupt noch lebt. Vielleicht liegt hier der Grund für das Zerwürfnis der beiden Brüder. Wir erfahren bestimmt mehr darüber im letzten Abschnitt. Nach der bisherigen Schilderung erscheint mir jedenfalls Kris der sympathischere Aard zu sein.

Benjamin stellt das Haus für van Vos fertig und wird dafür von allen Seiten gelobt. Danach muss er zurück nach Amsterdam. Der Abschied von Hamburg und Lucia fällt ihm schwer. Er verspricht seine baldige Rückkehr, und er will Lucia schreiben.
Michiel freut sich über die Rückkehr seines Sohnes, er hat ihn und sein Talent vermisst. Viele Aufgaben warten auf Benjamin, eine schnelle Rückkehr nach Hamburg scheint nicht möglich. Bruder Daan ist immer noch äußerst unsympathisch. Frau Antje ist weg, möglicherweise ist Michiel hinter das Verhältnis von Daan und ihr gekommen und hat sie entlassen. Und Daan bekommt nun eine strenggläubige Frau. Das hat er sich verdient...

Lucia ereilt ein schlimmes Schicksal. Die Mutter stirbt und sie wird ausgerechnet von Pavel erwischt, als sie wieder verkleidet unterwegs ist. Der ist wütend, weil sie ihn abgewiesen hat, er bedrängt sie und denunziert sie bei der Kirche. Tobias wird zu Pflegeeltern gegeben und sie muss in ein Werk- und Zuchthaus. Natürlich kriegt ein Mädchen mit ihrem Temperament dort schnell Ärger. Broders holt sie da raus und heiratet sie. Eine unerwartete Wendung! Ich hatte ihn bis dahin eher für einen väterlichen Wohltäter gehalten. Aber er will sie als Ehefrau.
Für Lucia ist das der einzige Ausweg. Innerlich sträubt sie sich gegen diese Verbindung, aber was sollte sie auch machen? Von Benjamin hatte sie nichts mehr gehört seit seiner Abreise. Wenn ich das richtig gelesen habe, hat er ihr aber viele Briefe geschrieben, die sie offenbar nicht erhalten hat. Wo sind die geblieben?

Für Samuel ist der Tod von Wilhelm II. eher schlecht. Er hatte viel in das Haus Oranien investiert, dieses Geld ist nun gefährdet. Der Statthalter-Posten ist nicht mehr besetzt, und das wird auch eine Weile so bleiben. Wilhelm III. ist noch ein Baby, die Adeligen streiten sich um die Vormundschaft.

Samuel unterstützt Benjamin, was ihn wieder etwas sympathischer macht in meinen Augen. Aber er will weiterhin großen Ruhm erlangen, wofür er alle ihm möglichen Hebel in Bewegung setzt. Die Freundschaft mit Johan de Witt könnte da auch nützlich sein. Und er begibt sich auf die Reise zu Kardinal Mazarin, der in Brühl weilt. Dort trifft er auf Jean-Baptiste Colbert, den Begründer des nach ihm benannten „Colbertismus“, eines merkantilen Wirtschaftssystems, das den Staatsreichtum, bzw. den Reichtum des Fürsten (Louis XIV.) fördert.
(Sorry, aber als Volkswirt hätte ich ihn natürlich auch gern getroffen und mit ihm darüber diskutiert)

Und als dann im Umfeld von Mazarin auch noch D'Artagnan auftaucht, musste ich schmunzeln. Die drei Musketiere waren auch da? Ich hab inzwischen nachgelesen, dieser D'Artagnan hat tatsächlich existiert, und er war das Vorbild für den Roman von Dumas. Wieder etwas dazu gelernt!

Am Ende steht die mich etwas irritierende Aussage von Pavel, dass mancher auf Reisen dahingerafft wird, erst recht jemand in Broders Alter. Ist da etwa ein Anschlag auf Hindrik geplant?
Das klassische Happy-End wäre dann, dass Broders stirbt und Lucia mit Benjamin glücklich wird.
Wenn das so kommen wird, dann fände ich es etwas zu vorhersehbar für meinen Geschmack.

Vielen Dank Sorko, für diese tolle umfangreiche Inhaltszusammenfassung.

Meine Vermutung bei Antje ist, dass Daan sie sitzen hat lassen. In den Dialogen zuvor hat Antje ihn darum gebeten mit Michiel über ihre Beziehung zu reden. Aber Daan hat das hinaus gezögert.
Natürlich könnte Angst ein Grund sein, oder aber ihm ist die Beziehung nicht so wichtig. Ich denke er strebt eher in Michiels Richtung was Stand und Einfluss angeht und möchte daher auch keine Magd heiraten, auch wenn er Antje als Frau mag.
Ich denke, er hat sie fallen lassen, als sie ihm von ihrer Schwangerschaft erzählt hat

So ganz korrekt kam mir dieser Oliver in der ganzen Sache trotzdem nicht vor. Als Freundschaft würde ich das Ganze auch nicht bezeichnen, auch wenn Benjamin das selber so gesehen hat. Für mich kommt zu oft die Abneigung gegenüber den hochnäsigen abgehobenen Holländern durch...
Und es hat ja scheinbar auch eine ganze Weile gedauert, bis B. dann sein Hab und Gut wieder bekommen hat.

Die Schiffsreise von Theo und die geschilderten Szenen haben mich emotional auch wirklich gepackt. Sie waren wirklich greifbar und man weiß, dass man da auch tatsächlich nicht zimperlich sein darf. Es war nun mal so.
Für mich ist und bleibt Theo einer der sympathischsten Charaktere im Buch und ich bin gespannt, ob er der Seefahrt weiter treu bleibt.
Er wäre auf jeden Fall als kompetenter Schiffsarzt ein Gewinn für die Mannschaft, aber ob er die Strapazen auf Dauer mitmachen will... Mal sehen.

Hier glaube ich eher, dass die beiden voll und ganz auf Karriere und Ansehen aus sind.
Mir kam es im ersten Abschnitt schon so vor, als ob Daan für Antje mehr empfinden würde als nur eine Tändelei, aber er steht nicht zu seinen Gefühlen, obwohl er es ihr scheinbar versprochen hatte. Stattdessen bekommt er eine gute Partie, die aber scheinbar stocksteif und sicher nicht gerade herzenswarm ist. Das hat er tatsächlich verdient. Ich denke nicht, dass er mit dieser streng gläubigen gottesfürchtigen Person glücklich wird. Aber Hauptsache Ehre und Ansehen der Familie sind immer im Blick!

Das frage ich mich auch. Hat Pavel diese vielleicht abgefangen?

Ich fand die Seereise rund um Theo sehr spannend. Die Beschreibungen von Sabine Weiss sind teilweise sehr erschreckend und machen einem das Ausmaß klar, welche Verhältnisse damals an Bord geherrscht haben.
Theo ist klug und hat das Herz am rechten Fleck. Er handelt nach seinem Befürworten und setzt sich dabei auch über Regeln hinweg.

Die Freundschaft zwischen Theo und Benjamin gefällt mir auch sehr. Beide vermissen sich und schreiben oft miteinander.

Ich frage mich auch wo die Briefe von Benjamin abgefangen wurden? Dass diese nicht bis ins Zuchthaus durchgestellt werden, glaube ich gerne, aber Benjamin hat ja sicher an ihre Wohnadresse geschrieben und warum sollte da irgendjemand die Korrespondenz verschwinden lassen?!

Ich liebe Lucias Freigeist und ihren Wissensdurst. Sie zeigt die Ungerechtigkeit der damaligen Zeit zwischen Mann und Frau. Es ist schon traurig, dass sich eine Frau als Mann verkleiden muss, um an etwas Bildung zu gelangen.
Dass Tobias sich so von ihr abgewandt hat, hat mir sehr leid für sie getan. Schließlich hat sie alles was in ihrer Macht stand, immer nur für ihre Familie getan.

Mir sind das im Zusammenhang mit den Abschnitten von Samuel ganz ehrlich zu viele Charaktere, die erwähnt und beleuchtet werden.
Diese Abschnitte versuche ich immer zügig durchzulesen, da sie mich überhaupt nicht packen können. Leider.

Das könnte ich mir auch vorstellen.

Dieser zweite Abschnitt hat wieder viele Handlungsstränge.

Einige konnten mich tatsächlich emotional auch packen.
So z.B. die Schiffsreise von Theo, bei der er mir wieder sehr sympathisch war. Er ist ein großartiger Mensch, der auch an diejenigen denkt, die es nicht leicht haben und sich für die Ärmeren einsetzt.
Er war ja scheinbar sehr begeistert von der Neuen Welt und möchte hierüber mit B. reden. Ich bin gespannt, was er da für Pläne schmiedet und ob es wieder auf See treibt.
Auf jeden Fall hat er wohl viel fürs Leben gelernt.
Erschrocken hat mich teilweise die Brutalität mancher Szenen, aber so war es nun einmal und ich finde es auch gut, dass hier keine Beschönigung stattgefunden hat.

Ganz schlimm finde ich auch die weitere Entwicklung bei Lucia. Ich hatte mich anfangs gefreut, dass es mit ihrer Mutter gesundheitlich bergauf ging und dann der Tod und das Auseinanderreißen der Kinder... Furchtbar. Doch am schlimmsten ist es für sie wohl tatsächlich, dass sich ihr Bruder so sehr von ihr entfremdet. Ich frage mich hier auch, ob ihm da jemand vielleicht auch was einflüstert. Lucia hat nun wirklich alles für ihre Familie getan und wie schon hier geschrieben, sie zeigt sehr genau, wie ungerecht damals die Welt für Frauen und Männer war.

Benjamin scheint sich in Hamburg einen Namen gemacht zu haben. Ihm muss es wirklich schwer fallen, jetzt wieder als "Handlanger" in Amsterdam anzukommen. Aber ich bin mir sicher, dass er sich hier freischwimmen wird.
Ich denke jedoch, dass die offensichtliche Anerkennung seines Vaters und die damit einhergehende Eifersucht von Daan noch gefährlich werden könnte?! In welcher Hinsicht auch immer?

Weiterhin kann ich mit den immer wieder eingestreuten Kapiteln zu Wilhelm II, seinem nunmehrigen Sohn und den weiteren Ereignissen in s´Gravenhage nicht wirklich viel anfangen.
Für meinen Geschmack kommen da auch zu viele Personen vor, die für den Verlauf der Geschichte keine Rolle spielen?! Oder ich kann den großen Zusammenhang für mich derzeit einfach nicht herstellen.
Diese Abschnitte verleiden mir derzeit das Lesen etwas und ich würde sie am liebsten überspringen. Das muss ich ehrlich zugeben.
Samuel reißt es für mich auch nicht raus, da er mir sehr unsympathisch ist. Er müsste sein Schicksal nun mal in die Hand nehmen und sich nicht immer auf sein Fortkommen und seine Verbindungen in den Adelshäusern verlassen.

Im 3. Abschnitt bin ich nun sehr gespannt, wie es mit Lucia und Benjamin weitergeht... Ob Lucia in ihrer jetzigen Ehe noch glücklich werden kann? Wo sind die Briefe geblieben, die Benjamin scheinbar so regelmäßig schreibt?
Auch von Theo will ich gern noch mehr lesen.