Leserunde zu "Das Finkenmädchen" von Nicole Trope

Ein packender Roman über Wut, Rache und die Macht der Versöhnung.
Cover-Bild Das Finkenmädchen
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Nicole Trope (Autor)

Das Finkenmädchen

Roman

Carola Fischer (Übersetzer)

Fünfundzwanzig Jahre hat Felicity ihre ehemalige Nachbarin Rose nicht mehr gesehen. Aber an jedem einzelnen Tag hat sie an sie gedacht, und mit jedem Tag ist ihre Wut größer geworden. Denn Felicity war damals klein, und Rose war groß. Rose hätte sie beschützen und ihr helfen müssen. Stattdessen hat sie einfach weggesehen, und jetzt scheint sie sich an nichts mehr zu erinnern. Aber Felicity wird ihrer Erinnerung schon auf die Sprünge helfen - und dafür sorgen, dass Rose für ihre Fehler bezahlt ...

Ein packender Roman über Kinder, die um ihre Kindheit betrogen werden. Über Wut, Rache und die Macht der Versöhnung.

Timing der Leserunde

  1. Bewerben 09.04.2018 - 29.04.2018
  2. Lesen 14.05.2018 - 03.06.2018
  3. Rezensieren 04.06.2018 - 17.06.2018

Bereits beendet

Teilnehmer

Diskussion und Eindrücke zur Leserunde

Veröffentlicht am 12.06.2018

Aktuelles Thema einfühlsam aus Opfersicht

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Bei diesem Buch fällt einem zuerst einmal sofort das Cover auf. Es ist wunderschön und verspielt, aber total irreführend. Man erwartet irgendwie ein fröhliches, leichtes Buch und das ist hier ganz und ...

Bei diesem Buch fällt einem zuerst einmal sofort das Cover auf. Es ist wunderschön und verspielt, aber total irreführend. Man erwartet irgendwie ein fröhliches, leichtes Buch und das ist hier ganz und gar nicht der Fall. In diesem Buch geht es um ein sehr wichtiges Thema und ich finde es wahnsinnig gut, dass es hier angesprochen wird. Und dass es aus zwei ganz unterschiedlichen Perspektiven erzählt wird, die beide gleichermaßen ungewöhnlich sind. Bei beiden Perspektiven wird sehr einfühlsam aus der Opfersicht erzählt. Also nicht vom Cover irreführen lassen, aber trotzdem unbedingt lesen! Das ist kein Roman für zwischendurch, sondern einer, mit dem man sich beschäftigen muss, der nachhallt.

Als Rose in das Gefängnis verlegt wird, in dem auch Birdy ihre Strafe absitzt, scheint sie sich an diese nicht erinnern zu können. Birdy aber trägt eine Wut und einen Hass auf Rose in sich, seit sie ein kleines Mädchen ist. Sie will Rose an sich erinnern, an die Fehler die sie gemacht hat, als sie noch ihre Nachbarin war. Sie will sie dafür büßen lassen, dass sie ihr nicht geholfen hat, als sie die Chance dazu hatte. Nach und nach erfährt man als Leser in Rückblenden und Erinnerungsfetzen, was damals vorgefallen ist und auch, was seither passiert ist, warum beide Frauen im Gefängnis sind.

Besonders ist der Charakter von Birdy. Sie wird sehr kindlich, beinahe naiv dargestellt, ist aber so voller Wut, dass es zunächst nicht ganz leicht fällt, sie sympathisch zu finden. Sie ist geistig zurückgeblieben und Nicole Trope gelingt es mit ihrem Schreibstil, der in Kapiteln, in denen Birdy erzählt, einfach gehalten ist, diese Eigenschaft von ihr glaubhaft zu vermitteln. Schon auf den ersten Seiten lernt man Birdy als jemanden kennen, der „ schlau genug [ist], zu wissen dass [sie] langsam [ist] (S.8). Bei ihr scheint „die Tür zu ihrem Gehirn immer offen zu stehen“, was sie zu einem noch leichteren Opfer macht als andere Kinder, weil ihren Aussagen noch weniger Glauben geschenkt werden als denen der anderen. Sie scheint das Geschehene auch weniger prozessieren zu können wie andere Betroffene und die Darstellung ihrer Gedanken, ihrer Erinnerungen und ihrer Wut lassen einen als Leser geschockt, sprach- und hilflos zurück.
In den Kapiteln, in denen Rose in der Ich-Perspektive erzählt, ist die Sprache gewählter, komplexer und hochtrabender, sodass der Unterschied der beiden Charaktere schon durch den Schreibstil deutlich wird. Dennoch ist es gerade zu Anfang etwas schwierig, herauszufinden, wer in welchem Kapitel gerade spricht, eine kurze Überschrift hätte da vielleicht nicht geschadet, aber man findet als Leser sehr schnell den Rhythmus heraus.

Rose wird zunächst eher als ein mütterlicher Typ dargestellt und man fragt sich lange, wie die Tat, die sie angeblich begangen haben soll, mit ihrem zivilisierten Auftreten in Einklang gebracht werden soll. Nach und nach zeigt sich, dass sie sehr unselbstständig ist und von ihrem Mann auch bewusst so unselbstständig gehalten wurde. Auch sie legt eine Naivität und Blauäugigkeit an den Tag, vor allem, wenn es um ihren Mann Simon geht. Sie scheint bewusst die Augen verschlossen zu haben, um ihr Leben nicht zu gefährden und ja nichts von ihrem Lebensentwurf in Frage stellen zu müssen. Die Beschreibungen, die sie von Simon gibt, sind zwar nur subjektiv, zeigen aber doch, dass er einen Großteil der Schuld daran trägt, dass sie geworden ist, wie sie ist. Sie hat diesem Mann blind vertraut und ihr ganzes Leben auf ihn ausgerichtet. Als das dann zu zerbrechen droht, weigert sie sich sehr lange, die Augen zu öffnen. Man verzweifelt während des Lesens beinahe an ihr. Man möchte sie schütteln und sie anschreien, dass wegschauen nur dem Täter/den Tätern hilft, andererseits hat man natürlich Mitleid mit ihr, da ihr ganzes Leben auseinanderbricht und sich alles als eine Lüge und Täuschung herausstellt. Als dann langsam feststeht, was passiert ist, fragt man sich, warum sie nicht endlich die Wahrheit sagt, wen sie zu schützen versucht.

Ein kleiner Kritikpunkt: Die beiden Töchter von Simon sind sehr spannende, da sehr unterschiedliche Charaktere, daher hätte ich gerade bei den beiden noch gern gelesen, wie sie am Ende mit der Situation umgehen. Schade, dass dazu wenig erwähnt wird, aber natürlich liegt der Fokus des Romans vor allem auf den Charakteren Birdy und Rose.

"Ein packender Roman über Kinder, die um ihre Kindheit betrogen werden. Über Wut, Rache und die Macht der Versöhnung." Aber auch viel mehr als das: Ein Roman darüber, wie leicht etwas übersehen wird, wie leicht wir uns von Menschen täuschen lassen und wie bereitwillig wir manchmal die Augen verschließen. Ein Thema, dass so aktuell ist und so öffentlich diskutiert wird wie selten, wird in dem Roman sehr einfühlsam aus einer gänzlich anderen, oft vergessenen Perspektive erzählt.

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Veröffentlicht am 06.06.2018

Hartes Thema einfühlsam aufgearbeitet

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Ein Buch über Mißbrauch? Will man so etwas wirklich lesen?
Wer unbefangen auf dieses Buch zugeht, wird eine besondere Leseerfahrung machen!
Ohne Effekthascherei und Sensationslust wird erzählt, wie sich ...

Ein Buch über Mißbrauch? Will man so etwas wirklich lesen?
Wer unbefangen auf dieses Buch zugeht, wird eine besondere Leseerfahrung machen!
Ohne Effekthascherei und Sensationslust wird erzählt, wie sich das Leben der Protagonistin mit der Mißbrauchserfahrung entwickelt.

Birdy ist eine junge Frau und Mutter, die aufgrund einer Körperverletzung inhaftiert ist. Sie ist ein wenig zurückgeblieben und benötigt im Alltag Hilfe. Dennoch ist sie eine hingebungsvolle Mutter.

Zu Beginn ist Birdy völlig gefangen in Rachegedanken. Sie sinnt auf Rache für ihren Mißbrauch. Es entwickelt sich langsam ein Spannungsbogen als Rose, die Witwe des Mannes, der Birdy mißbraucht hat, in die gleiche Haftanstalt eingewiesen wird.

Das Buch ist in der Ich - Form geschrieben und anfangs war es verwirrend, dass sowohl Birdy als auch Rose in der Ich - Form schreiben. Dadurch wird man auch in Rose's Geschichte gezogen.
Was ist das für eine Frau, die mit einem Mann verheiratet war, der seinen Fernsehruhm dazu nutzte, um Mädchen und junge Frauen zu mißbrauchen?
Wußte sie wirklich nichts?

Das Buch beschreibt dieses sehr heikle Thema von zwei Seiten.
Da ist Birdy, das Mißbrauchsopfer und Rose, die den Mißbrauch deckte. Rose's Leben bricht zusammen als die Vorwürfe gegen ihren Mann erhoben werden. Ihre heile Welt existiert nicht mehr.

Wie es bei dem Thema auch nicht zu erwarten war, gibt es kein Zuckerguß - Happy End aber zumindest so etwas wie Versöhnung.

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Veröffentlicht am 04.06.2018

Erschreckend und mitreißend zugleich. Der Schein des friedvollen Covers trügt...

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Wie kam ich zu dem Buch?
Ich durfte das Buch im Rahmen einer Leserunde vorab lesen.
Cover:
Das Cover ist sehr verspielt und die Finken passen gut zum Titel. Es wirkt sehr friedvoll und nett.
Inhalt:
Nachdem ...

Wie kam ich zu dem Buch?
Ich durfte das Buch im Rahmen einer Leserunde vorab lesen.
Cover:
Das Cover ist sehr verspielt und die Finken passen gut zum Titel. Es wirkt sehr friedvoll und nett.
Inhalt:
Nachdem sie sie 25 Jahre nicht mehr gesehen hat, sieht Birdy Rose endlich wieder. Es verging kein Tag, an welchem sie nicht an sie und ihren Mann gedacht hat und eine große Wut im Bauch entwickelt hat. Rose hat da weggesehen, wo Birdy dringend Hilfe benötigt hätte. Rose hat vor, sie für ihre Fehler büßen zu lassen.
Handlung und Thematik
Die Handlung ist super interessant und mitreißend. Ich kann hier leider nicht das Hauptthema verraten, da ansonsten das Überraschungsmoment (der für mich der großartigste aber auch schockierendste Teil des Buches war) weg ist. Man kommt im Laufe des Buches darauf, um was es geht und wie erschreckend friedvoll im Gegensatz dazu das Cover ist. Das Thema wird beängstigend realistisch beschrieben und man empfindet neben Abscheu auch Wut. Das Buch hing mir noch ein paar Tage nach, ich fand es aber trotzdem super!
Charaktere:
Birdy ist von klein auf langsamer als andere. Ihre Gedanken wirken etwas kindlich kombiniert mit Aggression, was mich zunächst störte. Sie kämpft nicht mit ihrem Übergewicht, sondern akzeptiert es bzw. sieht es als Schutzschild. Das finde ich super, sie wirkt dadurch sehr stark und selbstbewusst. Als ich dann den Hintergrund ihrer Wut auf Rose rausfand, hatte ich mehr Verständnis für sie.
Rose war mir gleich zu Beginn sympathisch. Sie ist eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben stand, das heile Familienleben hatte bis auf den Tag, an dem ein Unglück geschah. Sie wirkt eigentlich die ganze Zeit sehr nett, liebevoll und mütterlich.
Schreibstil:
Der Autorin ist es gelungen, dieses prekäre Thema von zwei Opferrollen aus darzustellen. Das Buch lässt sich einfach und schnell lesen. Die bildlichen Beschreibungen sind schockierend realistisch! Man kann sowohl mit Rose als auch mit Birdy mitfühlen. Die Rückblicke in die Vergangenheit sind super mit eingebaut und man versteht mehr und mehr warum es zu Birdy’s Hass gekommen ist. Die Perspektivenwechsel von Birdy zu Rose haben mich anfangs verwirrt, aber wenn man mal den Rhythmus heraußen hat, weiß man wann wer kommt.
Persönliche Gesamtbewertung:
Ein echt bewegendes Buch, das mich echt positiv überrascht aber auch schockiert hat! Ich bin im Nachhinein immer noch sehr begeistert von diesem Buch und kann es jedem empfehlen (der nicht allzu zart besaitet ist). Das Buch regte sehr zum Nachdenken an! Es war etwas Besonderes mal sowas zu lesen! Ich hatte anfangs ja etwas eher Schnulziges bzw. mehr Drama im Sinn von „Freundschaft kaputt wegen einer Kleinigkeit“ erwartet, bin aber dankbar, dass es nicht so gekommen ist.

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Veröffentlicht am 04.06.2018

Das Finkenmädchen

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Birdy ist in einer gefängnisähnlichen Einrichtung untergebracht, nachdem sie ihrer Mutter gegenüber gewalttätig geworden ist. Sie selbst ist ebenfalls Mutter und ihre Tochter darf regelmäßig zu Besuch ...

Birdy ist in einer gefängnisähnlichen Einrichtung untergebracht, nachdem sie ihrer Mutter gegenüber gewalttätig geworden ist. Sie selbst ist ebenfalls Mutter und ihre Tochter darf regelmäßig zu Besuch kommen. Birdy ist geistig nicht so fit wie andere Menschen, aber sie wirkt sympathisch. Allerdings schwelt in ihr eine Wut gegen Rose. Rose soll ihren eigenen Mann, einen prominenten Fernsehstar, getötet haben. Dafür kommt Rose nun ebenfalls in Haft und zwar in die gleiche Einrichtung, in der auch Birdy lebt. Birdy will sich nun an Rose rächen. Die Frauen begegnen sich schon bald, doch Rose erkennt Birdy nicht.

Die Handlung der Geschichte wechselt zwischen dem derzeitigen Leben in der Haft und dem vergangenen Leben von Rose und Birdy hin und her. Dabei werden dem Leser Einblicke in das Leben von Rose und auch von Birdy gegeben. Emotional und gedanklich kommt man den beiden Frauen auf diese Art und Weise sehr nah, kann ihr jeweiliges Handeln verstehen und ist gespannt auf das, was vielleicht kommen wird. Hierdurch baut sich leichte Spannung auf, die auch bis zum Ende des Romans erhalten bleibt.

Dieses Buch wird vom Verlag als Frauenroman bezeichnet. Das Cover passt zum Titel und weckt mit den abgebildeten Blüten und dem Vogel Erwartungen auf eine lockere, vielleicht sogar fröhliche Geschichte. Dabei ist „Das Finkenmädchen“ so ganz anders. Es ist vielmehr ein Spannungsroman und eine tragische Geschichte über eine Kindheit und ein Leben, die ganz anders hätten verlaufen können und auch sollen.

Auch nach dem Lesen des Buches bleibt noch genug Raum um die Geschichte rückblickend zu betrachten. Sie hallt nach und macht sprachlos. Der Roman zeigt wie leicht einige Menschen manipuliert und beeinflusst werden können und wie wenig manche Menschen Rücksicht auf andere nehmen und deren Schwächen eiskalt ausnutzen. Nicole Trope gelingt es den Leser zu berühren und auf nachhaltig zu schockieren. Perfekt!

Copyright © 2018 by Iris Gasper

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Veröffentlicht am 01.06.2018

kann man kaum weglegen

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Ein australisches Gefängnis: Birdy kennt Rose. Rose kennt Birdy. Rose weiß nicht, dass sie Birdy kennt. Birdy hasst Rose. Aber auch das weiß Rose nicht. Birdy will Rose weh tun. Wird Rose sich dann an ...

Ein australisches Gefängnis: Birdy kennt Rose. Rose kennt Birdy. Rose weiß nicht, dass sie Birdy kennt. Birdy hasst Rose. Aber auch das weiß Rose nicht. Birdy will Rose weh tun. Wird Rose sich dann an Birdy erinnern?

Birdy ist geistig zurückgeblieben, eine aufmerksame Mutter und verfolgt eine Strategie, denn sie findet, niemand darf ungestraft davonkommen. In Ihr blubbert die Wut, denn ihr wurde die Kindheit geraubt. Auf der anderen Seite steht Rose, die immer das Gesicht und den schönen Schein wahren will und sogar das äußerst dunkle Geheimnis ihres geliebten Mannes über dessen Tod hinweg hütet. Rose, die nie wirklich ihren eigenen Charakter ausbilden konnte und immer eine perfekte Ehefrau und Mutter sein will.

Kapitelweise abwechselnd erzählt Troppe die Geschichte der beiden Frauen. Ihr Schreibstil ist spannend, emotional und mitreißend. Sie beleuchtet ein schwieriges Thema aus unterschiedlichen Perspektiven und zeigt, welche Auswirkungen Taten haben - nicht nur für die direkt involvierten. Als Leser ist man direkt "gezwungen", sich in einem Fall - in dem Recht und Unrecht kristallklar sind - über alle Standpunkte, Gefühle und Ansichten Gedanken zu machen.

Ein Buch, dass zum nachdenken anregt, den Horizont erweitert, das aber gleichzeitig so wunderbar geschrieben ist, dass man es kaum aus der Hand legen möchte!