Leserunde zu "Die Hochhausspringerin" von Julia von Lucadou

Was macht den Menschen menschlich, wenn er perfekt funktioniert?
Cover-Bild Die Hochhausspringerin
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Julia von Lucadou (Autor)

Die Hochhausspringerin

Roman

Riva ist Hochhausspringerin – ein perfekt funktionierender Mensch mit Millionen Fans. Doch plötzlich weigert sie sich zu trainieren. Kameras sind allgegenwärtig in ihrer Welt, aber sie weiß nicht, dass sie gezielt beobachtet wird: Hitomi, eine andere junge Frau, soll Riva wieder gefügig machen. Wenn sie ihren Auftrag nicht erfüllt, droht die Ausweisung in die Peripherien, wo die Menschen im Schmutz leben, ohne Möglichkeit, der Gesellschaft zu dienen. Was macht den Menschen menschlich, wenn er perfekt funktioniert? „Die Hochhausspringerin“ führt in eine brillante neue Welt, die so plausibel ist wie bitterkalt. Julia von Lucadou erzählt von ihr mit der Meisterschaft der großen Erzählungen über unsere Zukunft.

Timing der Leserunde

  1. Bewerben 02.07.2018 - 22.07.2018
  2. Lesen 06.08.2018 - 26.08.2018
  3. Rezensieren 27.08.2018 - 09.09.2018

Bereits beendet

Schlagworte

1984 Black Mirror Dave Eggers Der Circle Der Report der Magd Dystopie Futurismus George Orwell Leif Randt Margaret Atwood Mr. Robot Optimierung Schimmernder Dunst über Coby County Science Fiction spekulative Fiktion Überwachung

Teilnehmer

Diskussion und Eindrücke zur Leserunde

Abschnitt 2, KW 33, Seite 93 bis 180 (inkl. Kapitel 22)

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Evy_Heart

Mitglied seit 21.01.2017

Gute Geschichte, keine Klischees. Und ein guter Stil - mehr brauch ich nicht :-)

Veröffentlicht am 14.08.2018 um 21:10 Uhr

Tamagotchi schrieb am 14.08.2018 um 16:38 Uhr

Zitat von julemaus94

Allein die Aktion von Master, sie mit ihrer Kündigung zu veräppeln, fand ich unter der Gürtellinie und zeigt eigentlich nur, dass es offensichtlich doch ein zwei Klassen-System gibt, da er offensichtlich keine Ahnung hat, was er ihr damit antut.




Glaubst du wirklich, dass er das nicht weiß?
Ich kann mir irgendwie vorstellen, dass er ganz genau weiß, wie er Hitomi verängstigen und damit noch mehr unter Druck setzen kann. Sie ist ja dann so froh, ihren Job nicht zu verlieren, dass sie alles tut, damit das so bleibt. Master ist total berechnend und nur auf Erfolg aus.

Ich glaube, er ist überzeugt davon, das Richtige zu tun. Für ihn ist das wohl nur eine väterliche Erziehungsmaßnahme. Aber da alles so durchgeplant, ist würde ich sagen, dass das Berechnung ist.

Interessant ist, wie sich das Zimmer des Masters verändert. Und dass die Mindfullness-Übungen scheinbar das Gegenteil bewirken.

Gruslig war, dass die Mitarbeiter stetig angehalten, werden, sich zu optimieren - auch wenn es ihnen nicht gutgeht. Der Druck verstärkt sich.

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herrfabel

Mitglied seit 31.03.2017

Lesen ist die Kreativität des Denkens

Veröffentlicht am 15.08.2018 um 00:00 Uhr

Zitat von Evy_Heart

Über die Spannung mache ich mir keine Gedanken, weil ich zu eingenommen von den Figuren bin. Mich treibt voran zu wissen, was mit Riva ist und ob sie ausbrechen kann. Auch bei Hitomi habe ich die Hoffnung, dass sich etwas verändert.t.



Das unterschreib' ich so. Es ist zumindest nicht diese klassische Spannung, eher ein Hoffen und beinahe auch Faszination für diese Welt. Ich vermisse da ja immer stark dieses Zwischenmenschliche. An irgend einer Stelle ist dies anscheinend verloren gegangen im ganzen Optimierungs- und Bewertungswahn .

Hitomi ist ja schon sehr fasziniert von Riva gewesen und vielleicht war sie ja auch mal ein großer Fan und jetzt wo sie das Ausmaß mitbekommt hofft sie einfach ihr irgendwie helfen zu können. Allerdings scheint dies immer mehr eine Art Kontrollwahn zu werden. Ihre ganzen Nachrichten empfinde ich manchmal schon ein bisschen drüber.

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herrfabel

Mitglied seit 31.03.2017

Lesen ist die Kreativität des Denkens

Veröffentlicht am 15.08.2018 um 00:18 Uhr

Ich muss ja nun gestehen, ich bin nun etwas über das Ziel hinausgeschossen und hab's bereits ausgelesen.
Viel zu sehr wollte ich nun wissen wie es weiter geht. Ich hab auch noch immer Hoffnung gehabt mehr über die Peripherien zu erfahren.

Das Bild über diese Zukunftwelt wird für mich ja immer schlimmer, auch leicht abstrakter. Diese ganzen Regeln, Vorschriften und Bewertungen scheinen alles zu steuern und das Leben irgendwie auch kaum lebenswert zu machen. Es fehlt total an Wärme, Freude und Emotion... man versucht stets den Schein zu wahren, alles ist und bleibt kalt und nee, find ich echt schlimm. Zumal es ja auch noch diese virtuelle Computer-Mutter gibt, mit der man dann wieder versucht das familiäre in das Leben zu bringen, aber das ist alles so furchtbar, finde ich.

Ich fand in diesem Abschnitt generell Rivas Verhalten recht spannend. Ich weiß auch nicht wirklich was es nun ist, was sie so niederwirft. Zuerst dachte ich noch, sie hatte einfach keine Lust mehr auf die ganze Entwicklung, den Leistungsdruck und generell ist das Leben recht eintönig, langweilig geworden und sie rebelliert in dieser Art. Dann dachte ich auch an Depression. Irgendwann kam dann der Punkt, an dem ich eher fand, dass es vielleicht auch eher dieses Zwischenmenschliche ist, das ihr fehlt. Alles abseits dieser ständig gleichen Fragen und Forderungen, vielleicht auch, dass sie einfach mal sie selbst sein wollte, aber das nicht geschafft hat.

Hitomi driftet für mich dann irgendwie immer weiter ab. Sie will die Situation kontrollieren und steuern können, aber scheitert dann doch ständig daran und gerade das bringt ihr ganzes Leben durcheinander. Bzw. ich frage mich, ob sie überhaupt ein wirkliches Leben hatte. Ich hab immer das Gefühl sie ist in diesem ganzen System auch eher wie eine Gefangene, die dem Druck nach guten Bewertungen ausgesetzt ist und alles dafür geben möchte.
Mit Zarnee versucht sie ja dann auch wieder die Kontrolle über Riva zu erlangen. Vielleicht auch weil dieser sie ja irgendwie selbst auch beruhigt und sie komischerweise Vertrauen gewonnen hat. Er zeigt das eigentlich typische Bild einer glücklichen Familie, das ihr (und Riva) ja irgendwie verwehrt geblieben ist.

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julemaus94

Mitglied seit 20.07.2016

Bücher sind wie ein Garten, den man in der Tasche trägt

Veröffentlicht am 15.08.2018 um 08:29 Uhr

Tamagotchi schrieb am 14.08.2018 um 16:38 Uhr

Zitat von julemaus94

Allein die Aktion von Master, sie mit ihrer Kündigung zu veräppeln, fand ich unter der Gürtellinie und zeigt eigentlich nur, dass es offensichtlich doch ein zwei Klassen-System gibt, da er offensichtlich keine Ahnung hat, was er ihr damit antut.




Glaubst du wirklich, dass er das nicht weiß?
Ich kann mir irgendwie vorstellen, dass er ganz genau weiß, wie er Hitomi verängstigen und damit noch mehr unter Druck setzen kann. Sie ist ja dann so froh, ihren Job nicht zu verlieren, dass sie alles tut, damit das so bleibt. Master ist total berechnend und nur auf Erfolg aus.

Da habe ich mich vielleicht nicht richtig ausgedrückt

Er weiß schon, wie er sie zu noch mehr Leistung pushen kann und das Beste aus ihr rausholt. Dass er sie damit aber psychisch fertig macht und dabei eigentlich das Gegenteil erreicht (nämlich sein gut funktionierendes Werkzeug zu zerstören), ist ihm nicht so ganz bewusst.

Wirklich wissen könnte er es ja nur, wenn er selbst mal an ihrer Stelle gestanden hat.

In dem Zusammenhang stellt sich mir die Frage: Kann man in dieser Welt eigentlich beruflich aufsteigen (so wie bei uns heutzutage) oder wird man bei den Castings bewertet und auf eine feste Ebene gestellt, auf der man sich nur seitwärts (oder, wie bei Riva, abwärts), aber nicht nach oben bewegen kann?

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julemaus94

Mitglied seit 20.07.2016

Bücher sind wie ein Garten, den man in der Tasche trägt

Veröffentlicht am 15.08.2018 um 08:35 Uhr

Zitat von unbekannter Nutzer

- das Gebiet F scheint ja ein Bereich zu sein, in dem Verbrecher sich frei bewegen? Gibt es keine Gefängnisse mehr? werden die da einfach ausgesetzt?



Die Frage habe ich mir auch gestellt. Inwieweit kann man Kriminalität auch durch diese totale Überwachung eindämmen? Und wenn das bei den "kleinen" Kriminellen klappt, bleiben dann nur noch die richtig üblen Psychopathen übrig? Und die lässt man dann in einem frei zugänglichen Gebiet frei?

Das war für mich nicht so ganz schlüssig. Aber vielleicht wäre das eine interessante Frage an die Autorin!

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Mila_Milnesium

Mitglied seit 06.04.2018

A book is proof that humans are capable of working magic. Carl Sagan

Veröffentlicht am 15.08.2018 um 10:00 Uhr

julemaus94 schrieb am 14.08.2018 um 10:52 Uhr

Zitat von AnnaMagareta

Alles ist so klar und trostlos, da passt der nüchterne Schreibstil der Autorin perfekt und ich bin eher vor Entsetzen als vor Spannung von dem Buch gefesselt.



Da kann ich dir nur voll und ganz recht geben! Das Buch ist definitiv kein Wohlfühlroman, sondern soll ja nachdenklich stimmen und wachrütteln.

Ja, das war auch mein Eindruck beim Lesen. Es ist kein "Pageturner", der einen von Abschnitt zu Abschnitt hetzt, sondern Pausen zum Nachdenken erzwingt. In Rivas und Hitomis Welt zu leben ist anstrengend und vielleicht ist Riva dadurch erschöpft und ich habe mich beim Lesen auch oft erschöpft gefühlt. Wäre es ein Krimi oder Thriller, dann würde ich es als Makel ansehen, aber hier geht es mehr darum, dass die Geschichte ein Gefühl beim Lesen erzeugt (wie ein Musikstück; ein Gemälde, das man auf sich wirken lässt). Das letzte Buch, das das so bei mir geschafft hat, war "Ein Hemd des 20. Jahrhunderts" von Yann Martel.

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Mila_Milnesium

Mitglied seit 06.04.2018

A book is proof that humans are capable of working magic. Carl Sagan

Veröffentlicht am 15.08.2018 um 10:04 Uhr

Zitat von Evy_Heart

Das TM-Zeichen: Fand ich unnötig. Vielleicht ist es ein Stilmittel, das zeigen soll, wie durchgeplant alles ist. Oder ob sogar der Bericht der Erzählerin später korrigiert und "korrekt" mit den Zeichen versehen wurde. Aber ... mir erschließt sich dieses Stilmittel nicht und ich finde es optisch störend.



Anfangs ja, aber man gewöhnt sich daran. Und vielleicht ist das von der Autorin sehr prophetisch und wir werden so etwas in Zukunft auch in Wirklichkeit erleben: Der Musiker Drake will die Redewendung "God´s Plan" trademarken (war letzte Woche in den Nachrichten)

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julemaus94

Mitglied seit 20.07.2016

Bücher sind wie ein Garten, den man in der Tasche trägt

Veröffentlicht am 15.08.2018 um 11:47 Uhr

Zitat von Evy_Heart

Das TM-Zeichen: Fand ich unnötig. Vielleicht ist es ein Stilmittel, das zeigen soll, wie durchgeplant alles ist. Oder ob sogar der Bericht der Erzählerin später korrigiert und "korrekt" mit den Zeichen versehen wurde. Aber ... mir erschließt sich dieses Stilmittel nicht und ich finde es optisch störend.



Ich finde es als Stilmittel eigentlich großartig gewählt, verdeutlicht es doch nur noch einmal, wie kommerziell und wirtschaftlich das ganze Leben in dieser Stadt/ Welt ist. Wenn selbst die alltäglichsten Begriffe mit Trademarks versehen sind. Es zeigt doch nur, dass das ganze Leben dort 24/7 ein Job ist. Es gibt keine Freizeit, kein Teil des Tages, der ganz dir gehört. Man wird ständig optimiert und selbst im Schlaf noch kontrolliert und beeinflusst.

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Hellena92

Mitglied seit 22.12.2016

Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste.

Veröffentlicht am 15.08.2018 um 13:15 Uhr

Zitat von herrfabel

Ich muss ja nun gestehen, ich bin nun etwas über das Ziel hinausgeschossen und hab's bereits ausgelesen.



Das ist nicht der Sinn von Leserunden. Es wäre doch nur eine Woche gewesen! Ich finde es immer schade, weil das ein schlechtes Vorbild für andere ist und seit einigen Monaten in Leserunden stark zunimmt, dass vorgelesen wird. Denn auch wenn du es nicht möchtest, spoilerst du doch und wenn es nur unterschwellig ist. Die Diskussion mit dir ist auch nicht mehr richtig möglich, weil du schon weißt wie es endet.

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Hellena92

Mitglied seit 22.12.2016

Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste.

Veröffentlicht am 15.08.2018 um 13:20 Uhr

Zitat von julemaus94

Besonders bezeichnend für diese Welt fand ich auch, dass Master in Hitomis Arbeit keine neuen Ideen ihrerseits zulässt. Alles muss immer streng nach Vorschrift bzw Protokoll abgearbeitet werden, es wird einfach kein Individualismus zugelassen!



Ja. Ich finde gerade das ist irgendwie widersprüchlich in dieser Welt, die scheinbar weit entwickelt ist, aber gleichzeitig keine Weiterentwicklung möchte... total merkwürdig