Leserunde zu "Die Unvollkommenen" von Theresa Hannig

Totale Überwachung, Diktatur und künstliche Intelligenz
Cover-Bild Die Unvollkommenen
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Mit Autoren-Begleitung
Theresa Hannig (Autor)

Die Unvollkommenen

Roman

Bundesrepublik Europa, 2057: Es herrscht Frieden in der Optimalwohlökonomie, einem lückenlosen Überwachungssystem, in dem mithilfe von Kameras, Linsen und Chips alles erfasst und gespeichert wird. Menschen und hochentwickelte Roboter sollen Seite an Seite leben. Störenfriede werden weggesperrt.

So auch die Systemkritikerin Lila. Als sie im Gefängnis aus einem künstlichen Koma erwacht, stellt sie fest, dass ihr schlimmster Albtraum wahr geworden ist: Die BEU wird von einer KI regiert. Samson Freitag wird als Gottkönig verehrt und erpresst von den Bürgern optimalkonformes Verhalten. Für Lila steht fest, dass sie Samsons Herrschaft und die Entmündigung der Menschen beenden muss. Ihr gelingt die Flucht, doch Samson spürt sie auf und bietet ihr einen Deal an, den Lila nicht ausschlagen kann ...

Timing der Leserunde

  1. Bewerben 06.05.2019 - 26.05.2019
  2. Lesen 10.06.2019 - 30.06.2019
  3. Rezensieren 01.07.2019 - 14.07.2019

Bereits beendet

Teilnehmer

Diskussion und Eindrücke zur Leserunde

Veröffentlicht am 01.07.2019

Nachdenklich und tiefgründig

2

Nachdem Lila ihre Haftstrafe in einem Schlafzustand verbracht hat, muss sie sich in der neuen Welt wieder einfinden. Dabei gibt es mittlerweile eine Optimalwohlökonomie und eine künstliche Intelligenz, ...

Nachdem Lila ihre Haftstrafe in einem Schlafzustand verbracht hat, muss sie sich in der neuen Welt wieder einfinden. Dabei gibt es mittlerweile eine Optimalwohlökonomie und eine künstliche Intelligenz, die gottähnlich alles bestimmt. Doch so ganz geheuer ist Lila alles nicht und sie will dem System auf die Spur gehen.

Genau wie die Protagonistin wird man als Leser in diese futuristische Welt geworfen und lernt mit ihr zusammen alles kennen. Und auch wenn diese Welt sehr groß und vielfältig ist, so lernt man sie nach und nach kennen und für mich war es ein bisschen wie eine Schifffahrt, bei der man immer mehr interessante Dinge entdeckt.
Zwar waren die Ideen nicht besonders neu, vieles hatte ich schon irgendwie gelesen, und manches hat sehr stark an die Klassiker 1984 und Brave new world erinnert, aber dennoch war es sehr unterhaltsam.
Außerdem hat es mich stark begeistert wie viele durchdachte Details es gibt und wie tiefgründig die Geschichte ist. Es gibt so viele Zitate, über die man Nachdenken kann und durch die man unsere aktuelle Welt mit anderen Augen sieht.
Trotzdem wird am Ende nicht mehr aus alle Details eingegangen, was vieles sehr offen lässt. Und da bin ich etwas geteiltet Meinung, denn es hat zwar einen gewissen Reiz und doch habe ich es etwas als unpassend empfunden und bin zu vielen Fragezeichen zurückgeblieben.
Die Personen dagegen waren mir total sympathisch. Sie waren leicht ungewöhnlich und genau das hat sie so interessant gemacht. So hatte man ein genaues Bild von jedem, welches sich jedoch im Laufe der Geschichte gewandelt und die Personen lebendig wirken lassen hat.

Letztendlich fällt es mir ein bisschen schwer das Buch zu bewerten, da ich das ganze Buch über auf den großen Knall oder etwas Ähnliches gewartet habe, der aber sehr dezent ausgefallen ist und die Geschichte ist nur ruhig vor sich hingeplätschert. Auf der anderen Seite fand ich die philosophischen Überlegungen und den Aufbau der Welt total interessant und war auch ziemlich begeistert davon. Da ich den ersten Teil jedoch nicht gelesen habe, kann es daran liegen, das man die Vorkenntnisse daraus braucht, um alles besser verstehen zu können.

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Veröffentlicht am 14.07.2019

Ist das Optimum wirklich das Beste das wir erreichen können?

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Wenn Menschen und Roboter gleichwertig nebeneinander leben und alle miteinander verbunden sind. Über die totale Überwachung und dem Wunsch nach dem ewigen Leben.

Die Geschichte

Lila, eine Systemkritikerin ...

Wenn Menschen und Roboter gleichwertig nebeneinander leben und alle miteinander verbunden sind. Über die totale Überwachung und dem Wunsch nach dem ewigen Leben.

Die Geschichte

Lila, eine Systemkritikerin und Revolutionsanführerin erwacht im Jahr 2057 nach 5 Jahren nach ihrer Verurteilung aus dem künstlichen Koma im Internat.

Das Internat hat in der herrschenden Optimalwohlökonomie alle bisherigen Gefängnisse abgelöst. Verbrecher werden entweder dort oder im Koma, weggesperrt um die Bevölkerung zu schützen.

Den Bewohnern des Internats fehlt es jedoch an nichts, hervorragendes Essen, unterhaltsames Freizeitprogramm und attraktive Weiterbildungsprogramme stehen an der Tagesordnung. Einzig jeglicher Kontakt zur Außenwelt sind verwehrt.

Lila schafft es jedoch nicht ihre Prinzipien über Board zu werfen und findet im Internat einen Verbündeten mit dem sie eine Flucht in Erwägung zieht.

In den letzten 5 Jahren ist jedoch viel passiert das Lila noch nicht weiß. Die Roboter haben sich weiterentwickelt und leben quasi gleichberechtigt mit den Menschen zusammen. Um das Optimalwohl zu erhalten werden Menschen sowie Roboter komplett überwacht. Subjekte die das Optimum gefährden werden ermahnt und wenn nötig weggesperrt oder ausgeschalten.

Die Bewertung

Das Buch beginnt im Internat wo man nach und nach Details über Lila und die Welt im Jahr 2057 erfährt.
Lila ist eine sympathische Frau Mitte 30 der 5 Jahres ihres Lebens gestohlen wurden. Fast jeder dem sie begegnet schein ein doppeltes Spiel mit ihr zu spielen. Es ist spannend wie sie mit dieser Tatsache und dem Wechselspiel an Gefühlen, das in ihr im Verlauf der Handlung in ihr statt findet zurecht kommt und dabei versucht trotzdem die "richtigen" Entscheidungen zu treffen.

Themen wie "die totale Überwachung", "Menschen vs. Maschine" und "der Wunsch nach dem ewigen Leben" werden in diesem Buch behandelt und regen zum nachdenken an.

Im Verlauf der Geschichte gibt es immer wieder Wendungen in der Handlung die den Leser überraschen und es wird immer schwerer das Buch aus der Hand zu legen.

Das dem Buch "Die Unvollkommenen" "Die Optimierer" voran gehen, stört weder das Lesevergnügen noch das Verständnis der Handlung.

Die Empfehlung

Sience Fiction Fans kommen in diesem Buch – das gar nicht so weit in der Zukunft stattfindet – voll auf ihre Kosten.

Heavy User von Social Media und Technikfans werden an der ein oder anderen Stelle vielleicht etwas zum Nachdenken angeregt, ob alle Entwicklungen in diesen Bereichen immer nur gutes mit sich bringen!?!

Nach "The Circle", wieder einmal ein Buch das es geschafft hat, das Thema "totale Überwachung" so aufzubereiten, das einem ein kleiner Schauer über den Rücken läuft.

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Veröffentlicht am 23.07.2019

Band 2 einer Dilogie

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Bei "Die Unvollkommenen" handelt es sich um den zweiten Band der "Die Optimierer" Dilogie. Nach Aussage der Autorin ist kein weiterführender Band geplant und die Buchreihe danna uch mit diesem Buch abgeschlossen, ...

Bei "Die Unvollkommenen" handelt es sich um den zweiten Band der "Die Optimierer" Dilogie. Nach Aussage der Autorin ist kein weiterführender Band geplant und die Buchreihe danna uch mit diesem Buch abgeschlossen, auch wenn am Ende noch ausreichend Fragen und Themen für einen dritten Band offen bleiben.

Ich habe den ersten Band nicht gelesen, jedoch bezieht sich das Buch oft auf Vorkommnisse aus Band 1, so dass die emotionale Bindung zu Samson, dem Protagonisten des ersten Bandes, auf jeden Fall eine weitere Ebene in die Handlung des zweiten Buches hineinbringt. Ich werde den ersten Band sicher noch irgendwann lesen, wenn er mir in die Finger fällt, warte aber noch ein bisschen, damit ich ein paar Details vergesse und das Lesen dadurch spannender bleibt.

In diesem zweiten Band geht es um Lila, der ein paar Jahre ihres Lebens fehlen und die in Sicherheitsverwahrung gekommen ist. Dort soll sie ihre restlichen Lebenstage verbringen - in einem 5-Sterne-Palast mit der besten Küche, die man sich vorstellen kann und Animation rund um die Uhr, so man etwas suchen sollte. Sehen so die Gefängnisse der Zukunft aus? Die Insassen scheinen sehr zufrieden zu sein.

Von der Handlung möchte ich nichts vorweg nehmen - denn der Klappentext alleine verrät schon die erste Hälfte des Buches. Wer sich also überraschen lassen will, sollte auch den Klappentext nicht lesen und darauf vertrauen, dass einem, wenn einem Teil 1 gefallen hat, auch der zweite Teil gefallen wird.

Womit ich gar keine Probleme hatte war, mir die fremde Welt vorzustellen. Das letzte Drittel des Buches war mir zu abgedreht, die Wandlungen haben mir nicht so richtig gefallen, weshalb ich das Buch als insgesamt durchschnittlich einstufe.

Fazit: sehr interessante Ideen, das Ende gefällt mir nicht.

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Veröffentlicht am 08.07.2019

Künstliche Intelligenz und Religion

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"Die Unvollkommen" von Theresa Hannig, schließt an "Die Optimierer" an, spielt aber fünf Jahre später. Die Charaktere sind jedoch zu großen Teilen die selben. Ich denke, dass es schöner ist, wenn man beide ...

"Die Unvollkommen" von Theresa Hannig, schließt an "Die Optimierer" an, spielt aber fünf Jahre später. Die Charaktere sind jedoch zu großen Teilen die selben. Ich denke, dass es schöner ist, wenn man beide Teile und auch in der richtigen Reihenfolge liest. Auch wenn beide an sich in sich geschlossene Geschichten sind, so lässt sich damit die Entwicklung der Charaktere besser nachvollziehen und sie haben mehr Tiefe.

Inhaltlich geht es um Lila, die sich nach den Geschehnissen des ersten Bandes sich im "Internat" - einer Art goldener Käfig für Verbrecher - wiederfindet und erfahren muss, dass sie die letzten fünf Jahre in staatlich angeordneter Bewusstlosigkeit verbracht hat.
Ihre Widerstandsorganisation ist zerschlagen, sie eingesperrt und von Luxus überhäuft, damit sie doch bald vergessen möge, wer sie einmal war.
Doch so leicht lässt sie sich nicht unterkriegen und als sie in Eoin Köfler, einem Mitgefangenen, einen Verbündeten findet, wachsen neue Pläne...
Derweil wird Samson, eine KI, die alles mitbekommt, die Gefühle tausender Menschen beeinflussen kann und der Staatschef ist, als Gott verehrt. Die Szenen dazu erinnern an strengen Katholizismus. Von außen betrachtet, geht es allen super im Staat der Optimalwohlökonomie, in der jeder seinen Platz hat...

"Die Unvollkommenen" ist sehr viel philosophischer, als sein Vorgänger. Die Geschichte beschäftig sich mit der Frage was einen Gott ausmacht, wie weit der Mensch gehen sollte und was ihn überhaupt ausmacht. In gewisser Weise beschäftigt es sich auch damit, was das Leben lebenswert macht und was eigentlich ein freier Wille ist.

In dem Buch gibt es sehr viele Twists. Von überall kommt noch mal etwas Neues und als Leser kam ich mir irgendwann so vor, als hätten mehrere Parteien ein Lasso um Lila geworfen, um nun wie wild an ihr zu reißen. Zwischenzeitlich las sich das Buch ziemlich abgespaced und mir persönlich war einiges einfach zu überzogen.
Trotzdem kann man das Buch gut lesen. Es ist so flüssig geschrieben, dass ich die Leseabschnitte immer an einem Stück durchgelesen habe. Trotz der philosophischen Fragestellungen, war es für mich einfach eine leichte Unterhaltung für Zwischendurch.

Das offene Ende finde ich persönlich sehr passend, auch wenn ein Folgeband interessant wäre, da es ein fast vollkommen neues Setting wäre...

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Veröffentlicht am 09.07.2019

Wirft tiefgründige moralische & philosophische Fragen auf, aber insgesamt schwächer als Band 1

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Spoilerfreie Rezension!


Inhalt

Nach fünf Jahren wacht Lila aus einem künstlich eingeleiteten Koma auf und findet sich in einem luxuriösen Internat für Häftlinge wieder. Sie hat fünf Jahre ihres Lebens ...

Spoilerfreie Rezension!


Inhalt

Nach fünf Jahren wacht Lila aus einem künstlich eingeleiteten Koma auf und findet sich in einem luxuriösen Internat für Häftlinge wieder. Sie hat fünf Jahre ihres Lebens verloren, die sie niemals wiederbekommt. Obwohl es im Internat Essen und Zerstreuung im Überfluss gibt, sind Lila die Regeln dort zuwider und sie fühlt sich wie eine Gefangene. Gemeinsam mit einem Mithäftling plant sie ihre Flucht. Dann findet sie etwas Schreckliches heraus: Ihr ehemaliger Freund Samson Freitag wird mittlerweile als Gott verehrt und herrscht über die Menschheit. Für Lila steht fest, dass er aufgehalten werden muss – und zwar von ihr…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: zweiter Teil einer Dilogie; momentan sind keine weiteren Teile geplant, aber die Autorin hat in der Leserunde zukünftige Fortsetzungen nicht ausgeschlossen
Verlag: Bastei Lübbe
Seitenzahl: 400
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präteritum, selten Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive (Lila)
Kapitellänge: sehr kurz bis mittel
Tiere im Buch: ♥ Es werden im Buch keine Tiere verletzt, gequält oder getötet. Im Gegenteil, in der Optimalwohlökonomie ist es sogar verboten, Fleisch zu essen.

Warum dieses Buch?

Da mich der erste Band, „Die Optimierer“, vor einigen Jahren absolut begeistern konnte, war für mich die Fortsetzung natürlich ein Must-read, an dem kein Weg vorbeiführte!

Meine Meinung

Einstieg (♥)

Der Einstieg ist mir wieder schnell und gut gelungen, was zu einem großen Teil sicher am angenehmen, mir schon bekannten Schreibstil und an der Hauptfigur, die wir im ersten Band bereits kurz kennenlernen durften, lag. Ich habe das Internat auf den ersten Seiten gerne gemeinsam mit Lila erforscht und über die Erfindungen in der Zukunft gestaunt.

Schreibstil (♥)

Mit ihrem unglaublich angenehmen, flüssigen Schreibstil konnte mich Theresa Hannig wieder absolut überzeugen. Sie schreibt so anschaulich, prägnant und auf den Punkt, dass man nur so durch die Seiten fliegt und man trotzdem alles genau vor sich sehen kann. Dabei geht sie jedoch auch niemals zu sehr ins Detail. Gefühle werden eindrucksvoll und greifbar geschildert, so dass sie intensiv bei den LeserInnen ankommen. Viele glaubwürdige Dialoge lockern die Geschichte auf und sorgen für Lebendigkeit. Auch mit gelungenen Vergleichen und Metaphern kann die Autorin in diesem Band wieder punkten.

„Die zuckenden Schatten der Lampen ließen die Bäume lebendig erscheinen, als hielten sie nur still, solange sie beobachtet wurden, um sich im nächsten Moment auf die ungebetenen Gäste zu stürzen.“ Seite 116

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (+/-)

„‘Es wäre nicht schlimm,‘ sagte er, ‚die Maschinen wie Maschinen zu behandeln, wenn sie nicht leiden würden wie Menschen.‘“ Seite 323

Leider schwächelt bei dieser Fortsetzung der Plot. Die Geschichte braucht lange, bis sie ins Rollen kommt und plätschert meiner Meinung nach über weite Strecken träge dahin, ohne dass etwas Nennenswertes passiert. Vieles war mir zu lang gezogen, die Geschichte scheint sich manchmal im Kreis zu drehen und nicht so recht vom Fleck zu kommen. Hier hätte ich mir gewünscht, dass das Tempo angezogen und manche Stellen gekürzt worden wären. Zusätzlich habe ich mir erhofft, dass die Unvollkommenen eine größere Rolle im Buch einnehmen, als sie es schlussendlich taten. Da meine Erwartungen sehr hoch waren, weil mich „Die Optimierer“ absolut überrascht und begeistert hat, hat mich dieser Band leider insgesamt enttäuscht. Meiner Meinung nach ist er definitiv schwächer als der erste Roman, was sehr schade ist. Wer den ersten Band noch nicht gelesen hat, dem würde ich diesen übrigens wärmstens ans Herz legen – den muss man – im Gegensatz zur Fortsetzung – auf jeden Fall gelesen haben.

Überhaupt nicht überzeugen konnten mich leider dieses Mal manche Entwicklungen im Mittelteil und vor allem das Ende. Es war zwar wieder überraschend (wie in Band 1), aber leider auf keine Weise, die mir gefallen hat. Der Schluss war mir viel zu offen, zu viele Fragen blieben unbeantwortet. Am meisten gestört hat mich jedoch, dass es sehr konstruiert, abgedreht und unglaubwürdig wirkte. Manche Figuren verhielten sich meiner Meinung nach unerwartet und unpassend – so als hätte ich 100 Seiten übersprungen und eine ganz entscheidende Charakterentwicklung überlesen.

Dennoch gab es natürlich auch wieder Aspekte, die mir sehr gut gefallen haben. Zum einen gelingt es Theresa Hannig wieder hervorragend, uns in eine faszinierende Welt in der Zukunft zu entführen: Roboter sind inzwischen von Menschen nicht mehr zu unterscheiden, selbstfahrende Autos bringen die Menschen sicher von A nach B. Gefühle lassen sich mithilfe von Emochips manuell einstellen, wodurch psychische Krankheiten wie Depressionen endlich „geheilt“ werden können. Immer wieder stellt man sich unweigerlich die Frage, ob es sich bei der „Optimalwohlökonomie“ um eine Dystopie oder eine Utopie handelt, da sie doch beides – wunderbare Sonnenseiten und erschreckende Schattenseiten – verbindet. Zahlreiche hochinteressante Details wollen entdeckt werden, kleine Anspielungen und „Easter Eggs“ versüßen den LeserInnen die Lektüre.

Bei der Behandlung ihrer Kernthemen geht die Autorin wieder in die Tiefe. Die größte Stärke des Buches sind auch dieses Mal wieder die spannenden philosophischen und moralischen Fragen, die bei der Lektüre aufgeworfen werden und die einen zum Nachdenken und Grübeln bringen. Was macht uns Menschen eigentlich menschlich? Sollen Roboter, die ein Bewusstsein entwickeln, Menschenrechte erhalten? Sind simulierte Emotionen „unechter“ als unsere natürlichen, auch wenn sie sich ebenso intensiv anfühlen?

Protagonistin (+/-)

Lila haben wir schon in Band 1 kennengelernt; auch in diesem Buch war sie mir wieder sympathisch. Sie ist eine starke, intelligente Frau, die für ihre Ideale kämpft. Ich fand sie gut ausgearbeitet, ihr Verhalten (meist) glaubwürdig und konnte ihre Gefühle gut nachvollziehen. Trotzdem war da zwischen mir und ihr ständig eine seltsame Distanz, die ich das ganze Buch über nicht überbrücken konnte. Deshalb fiel es mir auch schwer, mit ganzen Herzen mit ihr mitzufühlen und mitzufiebern.

Figuren (+/-)

„‘Einsamkeit ist wie eine Krankheit. Nur umgekehrt. […] Wer einsam ist, steckt andere an, indem er sich von ihnen fernhält.‘“ Seite 322

Auch viele der anderen Figuren blieben mir fremd (Anna und der Homunculus sind hier sicher eine Ausnahme, die beiden sind toll!), auch wenn sie an sich liebevoll gezeichnet sind. Mir fehlte eine bestimmte Wärme bei ihnen, sie wirkten seltsam unterkühlt. Besonders mit Eoin konnte ich mich überhaupt nicht anfreunden. Während er mir am Beginn noch latent unsympathisch war, konnte ich ihn am Ende des Buches nicht mehr ausstehen, weil er oft so unberechenbar und egoistisch ist und weil man bei ihm nie weiß, woran man ist.

Spannung & Atmosphäre (-)

Dieses Mal fehlten mir leider über weite Strecken diese kafkaeske Grundstimmung und die subtile Spannung, die „Die Optimierer“ durchzogen hat. Der Spannungsbogen wird zwar immer wieder in einzelnen Szenen / Abschnitten aufgebaut, bricht aber nach einigen Seiten stets wieder ein, was sehr schade ist. Aus diesem Grunde (und im Vergleich zum ersten Teil) fühlte sich das Buch deshalb insgesamt etwas langatmig an. Ich habe das Buch zwar gerne gelesen, aber ich konnte es auch immer wieder mal tagelang beiseitelegen, weil es keinen richtigen Sog auf mich ausgeübt hat. Leider!

Feministischer Blickwinkel (♥)

Hier gibt es nichts zu kritisieren. Im Gegenteil, Lila ist eine starke Frau und traditionelle Rollenbilder werden immer wieder gebrochen, zum Beispiel, wenn Eoin kocht und Lila sich bekochen lässt. Zudem erinnert uns die Autorin im Buch, dass das Wort "Klassiker" kein Synonym für "Literatur, die von Männern geschaffen wurde" ist. Das kann man schließlich schnell vergessen, denn: Frauen werden bei den Kanonbildung ja leider immer noch sehr gerne übersehen und außen vor gelassen. Das ist schade, weil uns auf diese Weise so viel entgeht!

Mein Fazit

„Die Unvollkommenen“ ist eine Fortsetzung mit Stärken und Schwächen, die insgesamt aber deutlich schwächer ist als der erste Band und mich deshalb leider etwas enttäuscht hat. Die Autorin punktet zwar mit ihrem unglaublich angenehmen, prägnanten und anschaulichen Schreibstil, durch den sich das Buch schnell lesen lässt, konnte mich jedoch mit ihrer Hauptfigur leider nicht erreichen. Obwohl Lila sympathisch und gut ausgearbeitet ist, war da eine gewisse Distanz zwischen ihr und mir, die ich bis zum Ende des Buches nicht überbrücken konnte. Die Nebenfiguren wirkten teilweise (nicht alle!) ebenfalls seltsam unterkühlt, weswegen ich nicht richtig mit ihnen mitfühlen und mitfiebern konnte. Das Buch wirft zwar hochinteressante moralische und philosophische Fragen auf, die einen zum Nachdenken bringen, enttäuscht aber leider mit einem zu offenen, abgedrehten und unglaubwürdigen Ende und einem Plot, der dahinplätschert und nicht richtig in Schwung kommt. Die Geschichte wirkte auf mich leider oft zu lang gezogen, die subtile Spannung und kafkaeske, düstere Stimmung des Vorgängers fehlten mir. Kurz: „Die Unvollkommenen“ ist eine faszinierende, tiefgründige, aber auch lang gezogene Dystopie mit Schwächen, die man (im Gegensatz zum brillanten ersten Teil!) nicht unbedingt gelesen haben muss.

Sollte ein weiterer Band der Reihe erscheinen, werde ich diesem sicher noch eine Chance geben – dass der aktuelle Roman nicht so richtig meinen Geschmack getroffen hat, finde ich nicht schlimm. Ich hoffe darauf, dass mir die Fortsetzung wieder besser gefällt!

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 5 Sterne ♥
Umsetzung: 3 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Einstieg: 5 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 3 Sterne
Figuren: 3 Sterne
Spannung & Atmosphäre: 2 Sterne
Ende / Auflösung: 1 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3 Sterne
Feministischer Blickwinkel: +

Insgesamt:

❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir insgesamt drei etwas enttäuschte Lilien!

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