Leserunde zu "Freiheitsgeld" von Andreas Eschbach

Wie frei können Menschen wirklich sein?
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Andreas Eschbach (Autor)

Freiheitsgeld

Roman

Europa in nicht allzu ferner Zukunft. Die Digitalisierung ist weit fortgeschritten, Maschinen erledigen die meiste Arbeit, während ein bedingungsloses Grundeinkommen, das sogenannte "Freiheitsgeld", dafür sorgt, dass jeder ein menschenwürdiges Leben führen kann. Als der Politiker, der das Freiheitsgeld eingeführt hat, tot aufgefunden wird, wirkt es zunächst wie ein Selbstmord. Doch dann wird der Journalist ermordet, der einst als sein größter Gegenspieler galt. Ahmad Müller, ein junger Polizist, ist in die Ermittlungen um beide Fälle involviert - und sieht sich mit übermächtigen Kräften konfrontiert, die im Geheimen operieren und vor nichts zurückschrecken, um eine Aufklärung zu vereiteln.

Timing der Leserunde

  1. Bewerben 15.08.2022 - 04.09.2022
  2. Lesen 12.09.2022 - 09.10.2022
  3. Rezensieren 10.10.2022 - 23.10.2022

Bereits beendet

Schlagworte

Bedingungsloses Grundeinkommen Klimawandel Automatisierung Roboter Externsteine Dystopie Utopie Verschwörungstheorien Bestsellerautor Spekulative Literatur Zukunftsporträt Politthriller Thriller

Teilnehmer

Diskussion und Eindrücke zur Leserunde

Abschnitt 1, KW 37, Seite 1 bis 144, inkl. Kapitel 11 "Mittwoch, 12. März 2064"

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kalligraphin

Mitglied seit 12.09.2016

Some say life is the thing, I prefer books.

Veröffentlicht am 13.09.2022 um 09:53 Uhr

Man darf loslegen, sobald der Bereich freigeschaltet ist?
Ich bin auch noch nicht besonders weit im Buch, dennoch wollte ich schon mal erwähnen, dass ich es klasse finde, wie selbstverständlich das Freiheitsgeld ist. So sehr, dass schon seine Nachteile überdeutlich werden.

„Darauf angewiesen zu sein, Monat für Monat genug zu verdienen, nur um am Leben zu bleiben, das kam ihm so atemberaubend vor wie ein Tanz auf dem Hochseil. Früher hatten die Leute so gelebt, sicher, aber was hieß das schon? Früher! Früher hatte es auch Sklaverei gegeben, Kinderarbeit und Kolonialismus; das war ja wohl kein Maßstab.“ 11%

Bin gespannt, wie Eschbach das alles weiterspinnt. Insgesamt ist das Leben eher wenig von Freiheit geprägt, finde ich. Alles ist überwacht, die Menschen sind mit ihren Pods verwachsen (wie wir heute schon freiwillig mit unseren Handys). Sehr bedrückend.

Die Oasen-Szenen erinnern mich weiterhin an T.C. Boyles America. Und insgesamt hat es ein bisschen die Atmosphäre von „1984“.

Außerdem habe ich mich sehr gefreut, dass ein Krankenbruder ins Zimmer kam!

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carola1475

Mitglied seit 14.02.2021

Veröffentlicht am 13.09.2022 um 10:14 Uhr

Das Buch geht nach dem rasanten Prolog unerwartet ruhig weiter, alle Protagonisten werden ausführlich eingeführt, sind Menschen wie Du und ich. Ahmad ist mir am sympathischsten.
Spannung wird erst mal durch Andeutungen erzeugt. Was darf Lina nicht erfahren, was "spendet" Valentin da und vor wem hat der Messerstecher Angst?
Dafür, dass die Erzählung so gemächlich voran geht, finde ich die Perspektivwechsel meist ziemlich abrupt.
Die die Zukunft beteffenden Aspekte überraschen mich teilweise, leuchten aber ein. Gewohnt einfallsreich entwickelt Andreas Eschbach sein "was wäre wenn"-Gedankenspiel: der Klimawandel wurde duch das Anpflanzen von Milliarden CO2-speichernden Bäumen bekämpft, die Herstellung von Kleidung erfolgt nun "on demand" und nicht mehr für die Lagerhaltung. "Systemrelevante" Berufe gehören zu den bestbezahlten, damit sich überhaupt jemand findet, der trotz des Freiheitsgeldes diese Berufe ergreift.
Die vom alten Havelock geschätzte Privatsphäre in der Oase steht der allgegenwärtigen Überwachung außerhalb gegenüber, die Jüngere überhaupt nicht stört, im Gegenteil.
.
Die dystopische Erzählung gefällt mir bisher, die Krimihandlung lässt noch auf sich warten. Der Schreibstil ist klar und einfach und sehr gut zu lesen.

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carola1475

Mitglied seit 14.02.2021

Veröffentlicht am 13.09.2022 um 10:18 Uhr

Zitat von kalligraphin

Darauf angewiesen zu sein, Monat für Monat genug zu verdienen, nur um am Leben zu bleiben, das kam ihm so atemberaubend vor wie ein Tanz auf dem Hochseil.


Ich finde Ahmads Gedanken über das Geldverdienen VOR dem Freiheitsgeld auch sehr interessant und aus - für uns - ungewohntem Blickwinkel gesehen.

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kalligraphin

Mitglied seit 12.09.2016

Some say life is the thing, I prefer books.

Veröffentlicht am 13.09.2022 um 10:37 Uhr

carola1475 schrieb am 13.09.2022 um 10:18 Uhr

Zitat von kalligraphin

Darauf angewiesen zu sein, Monat für Monat genug zu verdienen, nur um am Leben zu bleiben, das kam ihm so atemberaubend vor wie ein Tanz auf dem Hochseil.


Ich finde Ahmads Gedanken über das Geldverdienen VOR dem Freiheitsgeld auch sehr interessant und aus - für uns - ungewohntem Blickwinkel gesehen.

Ja, das stimmt. Aber aus dem Blickwinkel im Buch wirkt es nicht so, als wäre die Welt wirklich besser geworden, oder?

Ich bin Befürworter eines Bedingungslosen Grundeinkommens - es sollte tatsächlich Freiheiten mit sich bringen. Im Buch ist aber alles eher zu einem Überwachungsstaat geworden. Und am gruseligsten ist die elitäre Oase.

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carola1475

Mitglied seit 14.02.2021

Veröffentlicht am 13.09.2022 um 11:10 Uhr

kalligraphin schrieb am 13.09.2022 um 10:37 Uhr

Ja, das stimmt. Aber aus dem Blickwinkel im Buch wirkt es nicht so, als wäre die Welt wirklich besser geworden, oder?

Ich bin Befürworter eines Bedingungslosen Grundeinkommens - es sollte tatsächlich Freiheiten mit sich bringen. Im Buch ist aber alles eher zu einem Überwachungsstaat geworden. Und am gruseligsten ist die elitäre Oase.

Ahmad ist noch jung und kennt nichts anderes als das Freiheitsgeld. Für ihn ist die Vorstellung, jeden Monat genug Geld verdienen zu müssen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten (wie es seiner Meinung nach VOR der Einführung des Freiheitsgeldes war) beängstigend.

Ich denke, die Einführung des Freiheitsgeldes hat eine Überwachung zum Teil notwendig gemacht. Clemens erzählt ja, wie anfangs viele sich mit dem Freiheitsgeld auf Reisen gemacht haben. Anscheinend musste irgendwie kontrolliert werden, das das Geld vorrangig im Land ausgegeben wurde.

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Tine13

Mitglied seit 29.12.2017

Veröffentlicht am 13.09.2022 um 12:53 Uhr

Bislang liest sich das Buch wirklich hervorragend, ich finde es interessant, unterhaltsam und spannend, besonders den schnelle Perspektivenwechsel mag ich dabei. Habe den Abschnitt fast in einem Zug durchgelesen;).

Wer auch immer der Protagonist mit dem kursiven Buchstaben ist, er scheint einiges verbergen zu wollen. Wahrscheinlich das er Drogen nimmt und für die Regierung oder so arbeitet...deshalb hat er sicherlich jetzt diesen Gabriel Antonis entführt.

Polizist Ahmed mag ich sehr gerne, wie gut das er das Attentat überlebt hat! Seine Versetzung in den Keller findet er sicherlich nicht so spannend, aber wer weiß was für Hinweise er da noch entdecken kann.
Valentin und Lina sind gerade von ihrem Glück geblendet, dabei werden sie wahrscheinlich nur ausgenutzt. Die Blutwäsche und das Sperma, hm merkwürdig.
Robert Havelock (welch lustige Anspielung) der weise alte Mann, ist er der Auftrag unseres Messerstechers? Der Vorfall war ja in der Nähe der Oase, wohnt er vielleicht auch dort?
Zwischendurch taucht auch immer diese Ivana Quayle mit ihren Robben auf, wird sie auch noch eine Rolle spielen? Erstmal Fragen über Fragen;)
Man darf gespannt sein wie es weitergeht...ein Qual mit dem Lesen zu warten1

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Tine13

Mitglied seit 29.12.2017

Veröffentlicht am 13.09.2022 um 13:07 Uhr

Zitat von kalligraphin

Außerdem habe ich mich sehr gefreut, dass ein Krankenbruder ins Zimmer kam!



Das ist ja mal ein guter Aspekt;) der Krankenbruder als Besserverdiener! Ansonsten muss ich Dir Recht geben, Überwachung wird hier ganz großgeschrieben.

Zitat von carola1475

Spannung wird erst mal durch Andeutungen erzeugt. Was darf Lina nicht erfahren, was "spendet" Valentin da und vor wem hat der Messerstecher Angst?


Ja genau, was wird da aus dem Blut gefiltert? Aber anscheinend wurde das ja schon mit dem Vorgänger Kilian so gehandhabt. Ole ist sicherlich der Besitzer von Linas gefundenen Kuscheltier.
Diese Familie Strehminger wurde also aus der Oase gemobbt mit einem "Scherbengericht", das klingt gar nicht nett!

Zitat von carola1475

Ich denke, die Einführung des Freiheitsgeldes hat eine Überwachung zum Teil notwendig gemacht. Clemens erzählt ja, wie anfangs viele sich mit dem Freiheitsgeld auf Reisen gemacht haben. Anscheinend musste irgendwie kontrolliert werden, das das Geld vorrangig im Land ausgegeben wurde.


Nun das klingt natürlich erst mal vernünftig, die Frage ist aber auch was wird alles noch so kontrolliert? Der Besuch in der Apotheke von Lina war ja auch merkwürdig! Auch die Freundin von Ahmad nimmt so ein Spray ein.

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niensmagscifi

Mitglied seit 30.08.2022

In neue Welten eintauchen und die alte Welt neu sehen

Veröffentlicht am 13.09.2022 um 17:10 Uhr

Bei meinem ersten Buch von Eschbach muss ich auch direkt den Schreibstil loben, den ich sehr lebhaft und fließend finde! Auch das Netz aus Personen und Perspektivenwechsel gefällt mir sehr gut. Komplex aber übersichtlich.

Allerdings gibts zwei Kleinigkeiten an der Sprache die mich stören - einmal, dass die englischen Wörter kursiv gesetzt werden (z.B. S. 24) - ich finde das mindert die Selbstverständlichkeit der scheinbar alltäglichen Wörter - und zum zweitens ein paar (wenige) Stellen: Da ist mir der Stil als überzogen männlich unangenehm aufgefallen - ein Dekolleté (S. 33), das "waffenscheinpflichtig" ist - hm. Oder dass Ahmeds Freundin noch ein Kind "von ihm" als Erinnerung will? (S. 66). Erinnert mich ein bisschen an das Schreiben „über“ Frauen.

Zum Inhalt finde ich den Plot und die Umsetzung sehr spannend, ich freue mich mehr über die Welt zu erfahren - insbesondere hinsichtlich des Grats von Dystopie zu Utopie. An manchen Stellen finde ich die "neue" Welt aber noch ein wenig hölzern - die "selbstverständlichen" Elemente (vegetarisch leben (S. 26), die "alte" Sprache (S. 50), oder der 'natürlich' bestbezahlte Job Krankenpfleger oder die Kleiderverschwendung) finde ich nicht überzeugend als Gesprächsbeitrag eingebaut - wenn es wirklich selbstverständlich wäre, wäre das meiner Meinung nach kein Teil eines Alltagsgesprächs.

Anders die technischen Aspekte (z.B. nanosauber :) (S. 53)), von dieser Seite finde ich das Futuristisch-Technologische glatt und gut. Und auch viele der gesellschaftliche Neuerungen sind überzeugend.

Ich frage mich auch, ob dieses bedingungslose Grundeinkommen/Freiheitsgeld im Laufe des Buchs darin kritisiert wird, dass es den Menschen den Lebenssinn nimmt - oder ob das nur eine Meinung von Figuren ist. Es wäre interessant zu sehen, wie einer Sinnauflösung entgegengewirkt werden kann oder ob sie sich in den jüngeren Generationen auch einfach von selbst erledigt - oder doch gar nicht.

Trotz der Kritik gefällt mir der Rest aber bisher sehr gut, auch die eingefädelte Kriminalgeschichte finde ich spannend - mal sehen wie es weiter geht!

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niensmagscifi

Mitglied seit 30.08.2022

In neue Welten eintauchen und die alte Welt neu sehen

Veröffentlicht am 13.09.2022 um 17:13 Uhr

carola1475 schrieb am 13.09.2022 um 10:14 Uhr

Das Buch geht nach dem rasanten Prolog unerwartet ruhig weiter, alle Protagonisten werden ausführlich eingeführt, sind Menschen wie Du und ich. Ahmad ist mir am sympathischsten.
Spannung wird erst mal durch Andeutungen erzeugt. Was darf Lina nicht erfahren, was "spendet" Valentin da und vor wem hat der Messerstecher Angst?
Dafür, dass die Erzählung so gemächlich voran geht, finde ich die Perspektivwechsel meist ziemlich abrupt.
Die die Zukunft beteffenden Aspekte überraschen mich teilweise, leuchten aber ein. Gewohnt einfallsreich entwickelt Andreas Eschbach sein "was wäre wenn"-Gedankenspiel: der Klimawandel wurde duch das Anpflanzen von Milliarden CO2-speichernden Bäumen bekämpft, die Herstellung von Kleidung erfolgt nun "on demand" und nicht mehr für die Lagerhaltung. "Systemrelevante" Berufe gehören zu den bestbezahlten, damit sich überhaupt jemand findet, der trotz des Freiheitsgeldes diese Berufe ergreift.
Die vom alten Havelock geschätzte Privatsphäre in der Oase steht der allgegenwärtigen Überwachung außerhalb gegenüber, die Jüngere überhaupt nicht stört, im Gegenteil.
.
Die dystopische Erzählung gefällt mir bisher, die Krimihandlung lässt noch auf sich warten. Der Schreibstil ist klar und einfach und sehr gut zu lesen.

Ich finde es interessant, dass die Welt bereits als dystopisch wahrnimmst. Viele der Elemente finde ich noch gar nicht beunruhigend (z.B. die medizinische Versorgung, die Steuerung über Pods etc.), sondern eigentlich eher angenehm-faszinierend. Ich bin aber gespannt, wohin sich das noch entwickelt (zur Utopie wrsl. nicht :D ).

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niensmagscifi

Mitglied seit 30.08.2022

In neue Welten eintauchen und die alte Welt neu sehen

Veröffentlicht am 13.09.2022 um 17:20 Uhr

kalligraphin schrieb am 13.09.2022 um 10:37 Uhr

Ja, das stimmt. Aber aus dem Blickwinkel im Buch wirkt es nicht so, als wäre die Welt wirklich besser geworden, oder?

Ich bin Befürworter eines Bedingungslosen Grundeinkommens - es sollte tatsächlich Freiheiten mit sich bringen. Im Buch ist aber alles eher zu einem Überwachungsstaat geworden. Und am gruseligsten ist die elitäre Oase.

Ich finde die Zukunftsversion eigentlich als ersten Eindruck - noch - nicht so schlecht, vor allem wenn man sich unsere Welt im Vergleich anguckt. Trotzdem würde ich dem Eindruck kritisierten Umsetzung des Grundeinkommens zustimmen. Ich glaube aber, dass es vor allem mit anderen technolog./gesell. Neuerungen zusammenfällt, statt eigentlicher Verursacher zu sein - mal sehen, ob sich das noch ändert.

Als Befürworterin bin auch umso neugieriger, wie und warum das Einkommen kritisiert wird - wegen des Lebenssinns, wegen der moralischen Abwertung?