Meine Eindrücke zu der Leseprobe zusammenzufassen gestaltet sich schwer. Bereits auf Seite 19 des Romans habe ich eine volle Word-Seite mit Notizen angefertigt. Wo fängt man da an und wo hört man auf?
Auf das Cover möchte ich daher wenig eingehen. Es passt optisch zu den vorherigen Teilen, ist schlicht und unauffällig und ohne viel Schnickschnack. Es gibt schönere und schlechtere. Aber never judge a book by its cover!
Der unmittelbare Beginn hat mich (gestalterisch) an die Anfänge von „No longer yours“ und „No longer lost“ erinnert – was den Kreis der Geschichte(n) wunderbar schließt. Auch die Wortwiederholungen („Ein fransiges Mal aus Rot und Blau und Falsch, Falsch, Falsch.“) haben mich stilistisch vor allem an „No longer yours“ denken lassen. Das bedeutet: Wir können uns auch bei „No longer alone“ auf Merits einzigartig poetischen, tiefgründigen und gefühlvollen Schreibstil freuen. Mit präzise gesetzten Adjektiven erzeugt sie durchweg eine wunderbar atmosphärische, malerische und teilweise idyllische Umgebung rund um die Mulberry Mansion. Durchzogen wird alles durch eindrucksvolle, unkonventionelle und eingängige Vergleiche. Ein Beweis für ihre starke Ausdruckskraft liegt eigentlich schon darin, wie noch auf der ersten Seite die Wolfsstunde beschrieben wird. Nein, der erste Satz des Romans reicht schon dafür.
Die Geschichte von „No longer alone“ wird Willow und Maxton, die bereits aus den Teilen davor bekannt sind, als Protagonisten auf ihrem Weg und ihrer Entwicklung begleiten. Willow ist sehr direkt, wild, unabhängig und testet laut ihrer eigenen Aussage gerne Grenzen aus, respektiert eben jene aber auch. Ihre Zuneigung zu der Mulberry Mansion und den Bewohnenden ist in jedem ihrer Worte diesbezüglich spürbar. Maxton ist das Gegenteil. Er ist ruhig, in sich gekehrt, sanft und strahlt eine innere Ruhe und Ausgeglichenheit aus. Er kann sich stundenlang in die Welt der Botanik verlieren und scheint eine echte Koryphäe in diesem Gebiet zu sein. In den ersten Kapiteln der Leseprobe sind schon mehrere Hinweise darauf gegeben, dass Willow und Maxton trotz ihrer Verschiedenheit eine innige Freundschaft verbindet. Maxton beispielsweise sorgt sich nicht nur um Willow (als sie fröstelt und sie davon ausgeht, dass er ihr seine Jacke anbieten möchte), weil er ein Gentleman ist.
Dass der Abschlussband der Reihe (dem ersten Eindruck nach) wieder primär in und um die Mulberry Mansion spielen wird, gefällt mir gut. Auch hier wieder hat Merit ein Bild entstehen lassen, dass die Mansion als behagliches Zuhause und als save space für die Bewohnenden aufzeigt. Während eingestreuter Beschreibungen konnte ich den luftigen Windzug durch die undichten Fenster spüren und die vielen Trockenblumen und den Kuchen von May riechen.
Geschickt wurden im Übrigen auch die bisherigen Geschichten rund um Avery und Eden und May und Wes umrissen. Genauso wie die restlichen Bewohnenden mit ihren charakteristischen Eigenheiten erwähnt und in den Kontext gesetzt wurden.
Die Andeutungen, dass Maxton ein Geheimnis hat, erzeugen große Neugier. Schon schnell wird klar, dass er ein Anwärter auf einen Platz einer alten Studentenvereinigung seiner Universität ist. Doch diese Tatsache steht in starkem Kontrast zu seinem eigentlichen Wesen und Werten. Daher frage ich mich immer mehr, aus welchem Grund er dennoch die angekündigten sechs Herausforderungen annehmen will, um Mitglied der Vereinigung zu werden. Wobei von Wollen eigentlich nicht die Rede ist. Was ist daher passiert, weshalb er all seine Prinzipien und Überzeugungen hintenanstellt? Wie wird Willow dennoch von diesem Geheimnis erfahren? Welche Höhen und Tiefen sind für die beiden damit verbunden?
Ich gehe auch davon aus, dass nicht nur ich die Studentenvereinigung mit ihrem Pathos albern und peinlich fand. Die Herleitung aus der griechischen Mythologie ist zwar interessant… aber die Überzeugungen, die daraus entstanden sind, sind lächerlich. Unterstrichen dadurch, wie ungemein ernst sowohl die Mitglieder als auch die anderen Anwärter alles nehmen. Bei so viel Blödsinn musste ich innerlich durchgehend mit dem Kopf schütteln. Aber auch hier wieder die Frage: Warum lässt Maxton das über sich ergehen?
Der letzte Absatz der Leseprobe war im Hinblick auf diese Frage gigantisch gut: „Die einzige Frage, die ich mir stellen musste, war: Was bin ich bereit zu opfern, um an ein Ziel zu gelangen, das nicht meines ist? Ein Teil von mir ahnte, dass es nur eine Antwort darauf geben konnte. Ich kannte sie, auch wenn sie mir nicht gefiel: alles.“ In meinen Notizen habe ich mir hierzu nur aufgeschrieben: OH MEIN GOTT.
Und ich glaube, das ist bei diesem Einstieg in „No longer alone“ in jeglicher Hinsicht trefflich.