Veröffentlicht am 02.10.2021
Das Cover des Buches hat mich sofort in seinen Bann gezogen, denn es erinnert an Portraits der Künstlerin Frieda Kahlo, erst beim näheren Betrachten bemerkt man die interessanten Details der Zeichnung. ...
Das Cover des Buches hat mich sofort in seinen Bann gezogen, denn es erinnert an Portraits der Künstlerin Frieda Kahlo, erst beim näheren Betrachten bemerkt man die interessanten Details der Zeichnung.
Eine androgyne Person mit männlichem Oberkörper, aber sehr weichen und feinen Gesichtszügen blickt einem entgegen, die umgeben von Blüten ist, welche sich auf dem Oberarm in Tatoos zu verwandeln scheinen.
Der Titel verrät noch nichts über die Handlung, macht aber neugierig.
Beim Lesen der ersten Seiten fällt die angenehm zu lesende Sprache und der flüssige, ansprechende Schreibstil auf, man glaubt sich sofort in einem Jugendroman wiederzufinden und sieht sich zunächst mit (fast) ganz gewöhnlichen Jugendlichen konfrontiert, die Gras rauchen und versuchen, einen älteren Herrn zu „provozieren“.
Die beiden Jungen eignen sich als Identifikationsfiguren für die Jugendlichen Leser:innen, sie haben Probleme, die vielen nicht fremd sein dürfen, besonders Felix steht einem von Anfang an sehr nahe.
Er leidet darunter, dass seine Mutter sang und klanglos verschwunden ist, scheint unglücklich verliebt, besucht eine private Kunstschule, die er sich eigentlich gar nicht leisten kann, und hat Konflikte mit einem Gleichaltrigen, mit dem er irgendwann einmal befreundet gewesen zu sein scheint.
Erst schrittweise erfährt man, dass Felixˋ Probleme und Sorgen weit über diejenigen eines „gewöhnlichen“ Teenagers hinausgehen und hier nimmt die Handlung sehr schnell an Fahrt auf und zieht die Leser:innen in ihren Bann.
Felix wurde nämlich nicht in dem biologischen Geschlecht geboren, dem er sich zugehörig fühlt und lebt erst seit kurzer Zeit nach seiner Hormontherapie und der Geschlechtsangleichung als der, der er wirklich ist.
Sehr einfühlsam gelingt es Kacen Callender darzustellen, wie verletzend es für einen Jugendlichen ist, wenn man ihm nach der Angleichung eine alte Geschlechterrolle zuweist, die mit der eigenen Identität nicht übereinstimmt, auch wenn nicht immer eine böse Absicht dahinter steckt.
So ist der Vater zwar sehr liebevoll und gibt alles dafür, um seinem Sohn eine bessere Zukunft zu ermöglichen und für ihn dazusein, kann aber seinen neuen Namen nicht aussprechen, gendert ihn falsch, vermisst offensichtlich sein kleines Mädchen und nennt Felix nur „Kid“, um die neue Geschlechtsidentität nicht ansprechen zu müssen.
Das Mädchen, für das Felix sich interessiert, wirft ihm Frauenfeindlichkeit vor und sein ehemaliger Kumpel Deacon scheint für das plötzliche Auftauchen alter Bilder und Felixˋ Deadname verantwortlich zu sein.
Die Leseprobe ist extrem spannend und lässt viele Fragen offen, man möchte unbedingt wissen, wie Felix´ Geschichte weitergeht und wie es ihm gelingen kann, sich gegen die Bedrohungen zu behaupten. Mich interessiert besonders, ob es ihm gelingen wird, seine Mutter zu erreichen und den Kontakt zu ihr wieder herzustellen, ob sein Vater lernen wird, seinen Sohn zu akzeptieren, ob er das Stipendium an der Brown trotz der Noten erhalten kann und natürlich, welche Pläne er mit seinem besten Freund gegen den Angriff auf ihn schmiedet. Ich würde mich deswegen auch sehr darüber freuen, mit anderen über das Buch zu diskutieren und es zu rezensieren.