Leserunde zu "Hard Liquor - Der Geschmack der Nacht" von Marie Graßhoff

"Diese Welt fürchtet mich nicht. Zwischen acht Milliarden Seelen gehen selbst Bestien in der Masse unter. Würden die Menschen sehen, wer ich wirklich bin, wäre New York ein Schlachtfeld, in dessen Rauchfahnen ich triumphierend auf den Leichen meiner Feinde stehe. Würden sie sehen, wer ich wirklich bin, würden sie Krieg gegen mich führen. Sie alle gegen mich allein.
Und sie würden verlieren"
Kapitel 1, Seite 9

Ich finde diese ersten paar Sätze einen so großartigen Einstieg in das Buch. Hätte ich das Buch im Buchladen aufgeschlagen und diese Zeilen gelesen, wäre ich vermutlich sofort überzeugt, das Buch lesen zu wollen.

"Als mein Blick durch die Reihen meiner etwa sechzig Mitstudierenden schweift, die großteils überaus konzentriert den Worten der Dozentin lauschen, fühle ich mich so distanziert von allen. Als wäre ich umgeben von einer Blase, die mich von den Menschen trennt. Dabei kenne ich die meisten persönlich."
S. 92

Ich finde es beindruckend, wie Marie so simpel ein solches Gefühl rüber bringt.

"Der letzte, frische Schnitt, den ich mir zugefügt habe, schmerzt, als ich mich rege, um mein Handy fotzuschieben. Es sticht in meinem Oberschenkel, ber ich bin froh darüber, dass ich die Kontrolle hatte ihn diesmal an einer weniger prominenten Stelle zu setzen. Er ist auch längst nicht so tief. In ein paar Tagen sollte er hoffentlich einigermaßen verheilt sein. Und bis dahin hält der Schmerz mich vielleicht von weiteren Dummheiten ab. Er erdet mich. Aber bei einem Zucken, dass durch mein Bein geht, denke ich lächerlicherweise darüber nach, dass ich nie mit Logan werde schlafen können, ohne dass er all die Narben sieht, von denen er nichts weiß." - Seite 91

Das Zitat war mir auch sofort aufgefallen, ich hatte auch vor, das hier aufzulisten.

"Die Menschen erwarten, dass man irgendwann wieder okay ist. Und ich weiß nicht, warum ich es nicht bin. Ob ich es jemals sein kann." - Seite 125

Und ich weiß ja, dass mein Leben ein Ablaufdatum hat. Es ist unvermeidlich, dass ich die Kontrolle verliere.
Warum soll ich ich wehren?
Als ich die Flasche aufdrehe und an meine Lippen setze, fühlt es sich an wie Sieg und Resignation gleichzeitig.
- Seite 150

Das Zitat hat mich auch ganz tief getroffen, weil es zu viele Leute mit psychischen Erkrankungen gibt, von denen dieser Gedankengang ein zu eins genau so stammen könnte.

" Zu zerstören und zerstört zu werden ist für mich an diesem Punkt dasselbe. Ich sehne mich genauso sehr nach Schmerz wie nach Blut, das warm aus offenen Gedärmen über meine Arme läuft. Es ist mir egal, ob es ihres oder meines ist." -S. 161

Ja mich hat es irgendwie echt... getroffen. Damit hatte ich irgendwie nicht gerechnet. Aber es gab schon einige Stellen im Buch die mich sehr überrascht haben.

Ich habe auch noch ein Zitat, das mit beim Lesen ins Auge gesprungen ist:

"Es... Es geht mir ja eigentlich gut. Ich habe nicht alles unter Kontrolle, aber das hat niemand." (Seite 44)