Leserunde zu "Babel" von Rebecca F. Kuang

Ein spektakulärer Roman der preisgekrönten Autorin Rebecca F. Kuang
Cover-Bild Babel
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Rebecca F. Kuang (Autor)

Babel

Roman - Der weltweite Bestseller über die Magie der Sprache und die Macht von Worten. Deutsche Ausgabe

Heide Franck (Übersetzer), Alexandra Jordan (Übersetzer)

»Das Aufregendste im Fantasygenre seit Harry Potter« Denis Scheck

1828. Robin Swift, den ein Cholera-Ausbruch im chinesischen Kanton als Waisenjungen zurücklässt, wird von dem geheimnisvollen Professor Lovell nach London gebracht. Dort lernt er jahrelang Latein, Altgriechisch und Chinesisch, um sich auf den Tag vorzubereiten, an dem er in das Königliche Institut für Übersetzung der Universität Oxford - auch bekannt als Babel - aufgenommen werden soll.

Oxford ist das Zentrum allen Wissens und Fortschritts in der Welt. Für Robin erfüllt sich ein Traum, an dem Ort zu studieren, der die ganze Macht des britischen Empire verkörpert.

Denn in Babel wird nicht nur Übersetzung gelehrt, sondern auch Magie. Das Silberwerk - die Kunst, die in der Übersetzung verloren gegangene Bedeutung mithilfe von verzauberten Silberbarren zu manifestieren - hat die Briten zu unvergleichlichem Einfluss gebracht. Dank dieser besonderen Magie hat das Empire große Teile der Welt kolonisiert.

Für Robin ist Oxford eine Utopie, die dem Streben nach Wissen gewidmet ist. Doch Wissen gehorcht Macht, und als chinesischer Junge, der in Großbritannien aufgewachsen ist, erkennt Robin, dass es Verrat an seinem Mutterland bedeutet, Babel zu dienen. Im Laufe seines Studiums gerät Robin zwischen Babel und den zwielichtigen Hermes-Bund, eine Organisation, die die imperiale Expansion stoppen will. Als Großbritannien einen ungerechten Krieg mit China um Silber und Opium führt, muss Robin sich für eine Seite entscheiden ...

Aber kann ein Student gegen ein Imperium bestehen?

Der spektakuläre Roman der preisgekrönten Autorin Rebecca F. Kuang über die Magie der Sprache, die Gewalt des Kolonialismus und die Opfer des Widerstands.

Timing der Leserunde

  1. Bewerben 27.02.2023 - 19.03.2023
  2. Lesen 17.04.2023 - 21.05.2023
  3. Rezensieren 22.05.2023 - 04.06.2023

Bereits beendet

Schlagworte

Oxford Empire Dark Academia Kolonialismus Großbritannien UK Humor britischer Humor London Literarische Unterhaltung Magie China Kanton Übersetzung Universität Verschwörung Widerstand Kolonialreich Young Adult Fantasy KulturPass Aktion KulturPass Neil Gaiman Phantastik Fantastik phantastische Literatur British Book Awards Book of the Year Nebula-Award Fantasy Bücher

Teilnehmer

Diskussion und Eindrücke zur Leserunde

Veröffentlicht am 24.05.2023

Zwiegespalten

4

Noch nie hatte ein Buch gleichzeitig so viele wundervolle und dann doch auch enttäuschende Aspekte. Es ist wirklich schwer diesem Buch mit einer Bewertung gerecht zu werden.

Fangen wir mal mit dem Positiven ...

Noch nie hatte ein Buch gleichzeitig so viele wundervolle und dann doch auch enttäuschende Aspekte. Es ist wirklich schwer diesem Buch mit einer Bewertung gerecht zu werden.

Fangen wir mal mit dem Positiven an: Ich fand den Einstieg in die Geschichte klasse und hatte mir eine wundervolle magische Story in Oxford erhofft. Und zunächst wurde dies ja auch erfüllt. Ich habe es total genossen mit unserem Protagonisten durch die Straßen Oxfords zu streifen und das Silberwerken kennenzulernen.
Am Besten hat mir aber von Anfang an der literarisch sehr hochwertige Schreibstil gefallen. Ihre Abhandlungen über Sprache sind wirklich toll gelungen. So etwas habe ich in noch keinem anderen Buch erlebt. Stellenweise wurde dies dann aber doch etwas exzessiv, geradezu inflationär genutzt - da ist weniger manchmal echt mehr. Ich denke ich hätte dies mehr genießen können, wenn nicht jedes Mal gleich 5 Beispiele angebracht worden wären.

Lobenswert erwähnen muss man außerdem die immense Rechercheleistung der Autorin. Es ist unglaublich wie viel Hintergrundwissen sie immer wieder einbaut. Dadurch wirkt das Buch tatsächlich aber eher wie ein historischer Roman.
Tatsächlich hat die Autorin so viel Hintergrundwissen parat, dass sie noch zusätzlich Fußnoten anbringt. Die teils wirklich lang sind. Der Inhalt ist zumeist sehr interessant, aber dennoch reißen einen die Fußnoten des Öfteren aus dem Lesefluss. Leider.

Mein größter Kritikpunkt an dem Buch ist eigentlich, dass die Handlung auf mich recht träge wirkte. Eine Teilnehmerin der Leserunde fand dafür die perfekten Worte: "Show, don't tell"! Ich hätte mir wirklich mehr aktive Handlung gewünscht, als immer wieder seitenlange passive Erzählungen und Schilderungen. Ich möchte die Geschichte mit den Protagonisten ERLEBEN und nicht nur irgendwelche Berichte lesen. Und da sich hier dann auch immer wieder trockene Politik, Abhandlungen über Sprache und irgendwelche Hintergrundfacts dazwischen mischen, bleibt von aktiver Handlung echt nicht viel übrig. Dadurch wurde das Leseerlebnis mit fortschreiten des Buches leider immer zäher. So so schade. Ich hätte mir hier echt ein besseres Gleichgewicht gewünscht. Viel mehr aktivere Handlung und dafür weniger von dem anderen. Denn wie schon oben geschrieben, an sich sind die Abhandlungen über Sprache und die Hintergrundfacts ja total interessant! Nur leider passt für mich das Verhältnis einfach nicht.

Ich finde allerdings, dass man in dem Buch recht gut die Entwicklung der Charaktere nachvollziehen kann. Es ist schon cool zu beobachten, was die Umstände und Erlebnisse mit den Charakteren machen. Das ist wirklich gut gelungen.

Tja und dann kommt nun ein weiterer großer Kritikpunkt, der wohl auf 'false advertising' basiert. Ich habe hier ein Fantasybuch erwartet. Was ich aber gelesen habe, war definitiv kein Fantasybuch. Es wirkte eher wie ein historischer Roman mit einem eher nebensächlich behandelten Fantasyelement. Wirklich schade. Dabei hätte das Silberwerken doch ziemlich im Mittelpunkt stehen müssen.
Statt Fantasy bekommt man sehr viel Gesellschaftskritik zu lesen. Sehr gelungene Gesellschaftskritik zwar, aber nach Klappentext, Leseprobe, Cover & Werbung habe ich ein anderes Buch erwartet. Vielleicht sollte man hier seine Werbung anpassen, um wirklich die richtige Zielgruppe anzusprechen.

Alles in allem konnte das Buch meinen Erwartungen also leider nicht gerecht werden, obwohl man wirklich merkt dass die Autorin viel Zeit und Herzblut in dieses Projekt gesteckt hat.

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Veröffentlicht am 25.05.2023

Sehr Sprachgewandt - wenig fesselnde Fantasy

2

Darum geht es:
Nachdem Robin seine Heimat Kanton verlässt und verschiedene Sprachen gelehrt bekommt, folgt darauf sein Studium in Oxford. Doch lernt er mit der Zeit, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. ...

Darum geht es:
Nachdem Robin seine Heimat Kanton verlässt und verschiedene Sprachen gelehrt bekommt, folgt darauf sein Studium in Oxford. Doch lernt er mit der Zeit, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Er begreift mit der Zeit welche Machenschaften und Intrigen hinter dem Silber, Babel und dem Imperium stecken.

Meine Meinung:
Vorab großes Lob an die New-York-Times Bestsellerautorin, Rebecca F. Kuang, für die Recherche und den literarisch-poetischen Schreibstil, welches der in den sozialen Medien groß gehypte Roman "Babel" mit sich bringt.

Das Cover ist wirklich wunderschön gestaltet, die Kombination aus den düsteren schwarz und grau Tönen und der goldenen Veredelung sind ein Traum. Ich kann es kaum erwarten bis mein Printexemplar mich erreichen wird und ich mir auch die Karte mit dem Turm nochmal im Buch selbst anschauen kann.

Da Babel eine historische Fiktion ist, finden wir viele ernsthafte Themen, welche man heute zum Glück als sehr kritisch, unmoralisch und falsch ansieht aber nicht vergessen werden dürfen und auch heute noch große Rollen einnehmen und Probleme unserer Gesellschaft widerspiegeln. Nicht umsonst gibt es in diesem Buch eine Triggerwarnung für den darin vorkommenden Rassismus. Immer wieder werden Robin und seine Freunde täglich mit Rassismus und Frauenfeindlichkeiten konfrontiert. Allerdings gibt es eine Szene, welche häusliche Gewalt im Kindsalter beinhaltet, hierfür hätte ich mir auch gerne noch eine Triggerwarnung gewünscht, für mich ist das ebenso ein sehr sensibles, triggerndes Thema.
Der Schreibstil der Autorin ist hier sehr sprachgewandt und poetisch, allerdings wirkt er auch sehr distanziert, erreicht mich emotional leider gar nicht, es liest sich mehr wie ein Bericht als ein emotional aufwühlender Roman. Durch den, für mich, doch recht trockenen Schreibstil und doch recht fehlenden Spannungsbogen, wirken einige Szenen sehr zäh, welches mir manchmal auf Dauer die Lesefreude nahm.
Die ganze Geschichte um die Silberbarren mit den Sprachkombinationen hatte viel Potenzial, allerdings gab es so viele Situationen, welche einem immer wieder neue Fragen aufwarfen, welche ungeklärt blieben. Manche Dinge waren mir auch absolut nicht schlüssig, wie zB die Handlungen der Protagonisten, welche die schlausten Köpfe, die Oxford zu bieten hat, sind und absolut unbedacht und unlogisch handelten. Besonders enttäuscht hat mich allerdings das doch recht offene und doch fast plumpe, rasche Ende.

Mein Fazit:
Leider kann ich den ganzen Hype und die Vergleiche mit Harry Potter absolut nicht nachvollziehen. Ich empfinde, dass vorallem der magische Teil sehr untergeht, der Fokus liegt mehr im Historischen als auf der Fiktion. Was an sich nicht falsch ist, nur bin ich persönlich, durch die ganzen Harry Potter Vergleiche, mit einer ganz anderen Erwartung an das Buch heran gegangen. Einige Szenen waren für mich auch sehr irrelevant und zäh, dass ich das Gefühl hatte, man hätte das ganze Buch um gut 100-200 Seiten kürzen können aber das ist alles nur mein persönliches Empfinden. Ich finde, es wurde sehr viel Potenzial verstrichen, man hätte so viel mehr daraus machen können und leider wurden falsche Erwartungen geschürt. Rein aus dem literarischen und sprachwissenschaftlichen Aspekt ein Highlight, als Fan von großen Gefühlen und Fantasy ist es, denke ich, eher weniger etwas. Zumindest wenn man mit den genannten Erwartungen dran geht, welche meist durch die sozialen Netzwerke vermittelt wurden.

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Veröffentlicht am 25.05.2023

Eine wortgewaltige Erzählung

4

Selten hat mich ein Buch so im Zwiespalt hinterlassen wie Rebecca F. Kuangs Babel. Einerseits ist hier ein enorm interessantes, einmaliges Werk entstanden, das sprachlich nur als gewaltig bezeichnet werden ...

Selten hat mich ein Buch so im Zwiespalt hinterlassen wie Rebecca F. Kuangs Babel. Einerseits ist hier ein enorm interessantes, einmaliges Werk entstanden, das sprachlich nur als gewaltig bezeichnet werden kann, andererseits wirkt es in nahezu all seinen Komponenten unausgeglichen, nicht ausbalanciert, was mich wiederrum mit einem Gefühl der Unzufriedenheit hinterließ, welches ich nur schwer erklären kann. Versuchen werde ich es trotzdem.
Erstmal zum Schreibstil. Dieser hat mich anfangs noch sehr begeistern können, die sprachliche Eleganz, dieses Empfinden, jedes Wort sei mit Bedacht gewählt worden. Alles wird mit einer gewissen Gemächlichkeit geschildert, durchaus ausführlich aber keineswegs langweilig. Und auch wenn es vielleicht nicht direkt danach klingt, so hat mich das doch sehr schnell in die Geschichte hineingezogen. Ich bin gerne drangeblieben und war motiviert weiterzulesen, weil all diese ausführlichen Schilderungen die Erwartung genährt haben, dass bald etwas in Gang gesetzt würde, dass der Handlung ein neues Tempo verleihen sollte. Tatsächlich wartete ich darauf jedoch vergebens. Während ich am Lesen war, war es leicht dranzubleiben. Sobald ich dann aber eine Pause einlegt habe, forderte es immer auch ein bisschen Überwindung das Buch wieder in die Hand zu nehmen, da die Aussicht auf ausschweifende Berichterstattung und geringfügige Handlungsentwicklung nur wenig Begeisterung in mir wecken konnte. Die meiste Zeit ist man eher passiver Zuhörer, statt aktiv zu erleben, was den Protagonisten widerfährt und bei mehr als 700 Seiten war mir das einfach zu wenig.
Das bringt mich zum nächsten Punkt. Dreh und Angelpunkt der Geschichte sind Sprache und Übersetzung und die Autorin verwendet viele Seiten darauf, sich in Etymologischen Erörterungen zu ergehen. Faszinierenderweise ist ihr das auf eine Art gelungen, dass ich diese eher belehrenden Absätze mit großem Interesse gelesen habe und lange als spannend und nicht langweilig empfunden habe. Doch auch hier ist kein gesundes Mittelmaß gelungen. Irgendwann wird es einfach zu viel und ich denke es hätte der Geschichte gutgetan, wenn man zu Gunsten der Handlung auf die ein oder andere etymologische Belehrung verzichtet hätte.
Selbes lässt sich über den Einsatz der Fußnoten in diesem Buch sagen. Einige davon waren sehr interessant als Ergänzung zum Fließtext, aber auch hier wurde das Mittel in meinen Augen überstrapaziert. Wenn die Fußnoten beinahe eine halbe Seite einnehmen, nur dazu dienen mehr Information abzuladen, oder scheinbar wichtige Hintergründe zu den Figuren an den unteren Seitenrand verbannt werden, finde ich das einfach nicht gut.
Handlungstechnisch hatte Babel mit Ausnahme des Endes nur wenig zu bieten. Der Plot ist eher dünn und erstreckt sich über mehrere Jahre. Die passive Erzählweise trägt auch nicht gerade zur Spannung bei. Insgesamt hat das Buch viel von einer Chronik, die das Leben des Protagonisten zusammenfasst. Tja und den Fantasy Charakter habe ich vergebens gesucht. Lässt man das Silberwerken außen vor, hat man hier einen Roman, der im Viktorianischen Zeitalter spielt und ein Britisches Empire darstellt, dass exakt so rüberkommt und funktioniert, wie das reale Britische Empire. In der Konsequenz liest sich Babel weitaus mehr als (fiktiver) historischer Roman, denn als Fantasy und ich muss doch deutlich sagen, dass sich der Verlag keinen Gefallen damit getan hat, es mit Denis Schecks aufmerksamkeitsheischender Proklamation zu bewerben, Babel sei „das Aufregendste im Fantasygenre seit Harry Potter“. Diese Aussage ist so dermaßen unzutreffend, dass es mir fast physisches Unbehagen bereitet, genauer darüber nachzudenken.
Widmen wir uns nun den Charakteren. Robin ist von Anfang an ein Sympathiemagnet. Tragische Kindheit, gleich zu Beginn diese große Veränderung mit der Überfahrt nach England, wo der liebe, ruhige und aufmerksame Junge in einem lieblosen Haushalt aufwächst, die toten Sprachen und eine eindimensionale Haushälterin seine einzige Gesellschaft. Oh, wie schön es doch war zu lesen, wie er am College endlich Freunde findet und sich ein Leben aufbaut, dass ihn glücklich macht. Und auch diese Freunde, diese Gruppe, die entsteht hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Die Dynamik zwischen Robin, Ramy, Victoire und Letty ist eine, mit der man sich auf Anhieb wohlfühlen kann. Natürlich nur, bis die Realität auch in ihrer kleinen Babel-Blase ankommt. Da zeigt sich nämlich, dass die Autorin hier Charaktere zusammengeführt hat, die scheinbar nur den Zweck erfüllen sollen, als Sprachrohr für jene Perspektiven zu Imperialismus und Rassismus herzuhalten, die sie in ihrem Roman adressieren will. Die oberflächliche Individualität aller Figuren, sei es Robin selbst, seine Freude oder sogar Professor Lovell halten einer näheren Betrachtung nicht stand. Sieht man genauer hin, sind es keine originellen und vielschichtigen Charaktere, sondern nur an die Handlung angepasste Stellvertreter für bestimmte Meinungsbilder. Professor Lovell ist der skrupellose, überhebliche Imperialist; Robin, der halb Chinese und halb Brite ist, sitzt zwischen den Stühlen; Letty, die ignorante, privilegierte weiße Frau; Ramy, Victoire und Griffin, die überzeugten Gegner der Kolonialherren und des Empires und so weiter.
Ergänzend dazu ist es auch alles andere als hilfreich, dass die Autorin scheinbar kein Vertrauen in ihre Leserschaft hat, sich eine eigene Meinung über Themen wie Kolonialismus, Sexismus usw. zu bilden. Anstatt uns durch Subtext oder Denkanstöße an die elementaren Schlussfolgerungen der Geschichte heranzuführen, gibt sie im Grunde eine vorgekautes Ergebnis zum Besten. Selbes passiert übrigens Robin in dem Buch. Ihm wird auch alles durch Griffin oder Lovell vorgekaut und er entscheidet sich der Seite zu glauben, die für den Moment den besseren Vortrag abgeliefert hat.
Es ist wirklich bedauerlich, denn im Grunde steckt hier eine aufregende und bedeutsame Geschichte drin, die gerade auch junge Leser an diese enorm wichtigen Themen unserer Weltgeschichte heranzuführen vermag. Ich kann durchaus verstehen, dass Babel so viel Begeisterung auslöst, aber weil es für mich so eine ambivalente Leseerfahrung war, wie ich sie nur selten erlebt habe, kann ich mich dem nicht so richtig anschließen. Letzten Endes fehlte mir einfach eine gewisse Balance in allem, sodass ich mit meinem Fazit nur bei 2.5 Sternen lande.

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Veröffentlicht am 25.05.2023

Gefühlskaltes Sprachwunder

3

Babel ist wohl das Buch, dass in diesem Jahr bisher die größten Vorschusslorbeeren genießen konnte. Manche sprechen gar vom „neuen Harry Potter“ und um einiges vorweg zu nehmen: die Erwartungen können ...

Babel ist wohl das Buch, dass in diesem Jahr bisher die größten Vorschusslorbeeren genießen konnte. Manche sprechen gar vom „neuen Harry Potter“ und um einiges vorweg zu nehmen: die Erwartungen können nicht erfüllt werden.

Generell mache ich mir wenig aus Marketing, dennoch bin ich der Meinung, dass man dem Buch mit solchen Vergleichen keinen Gefallen macht. Ich hatte deswegen zwar keine erhöhten Erwartungen, diese waren jedoch aufgrund des Klappentexts und der Leseprobe vorhanden.

Wir lernen auf den ersten Seiten (Leseprobe) den jungen Robin Swift kennen, der in Kanton (China) geboren wurde und von Professor Lovell eine Zukunft in England geboten bekommt. In diesem Abschnitt konnte ich mich Robin so stark mitfühlen, wie auf den folgenden 700 Seiten nicht mehr.

Wir erleben die komplette Geschichte aus Robins Sicht, doch anstatt seine Gefühlswelt glaubhaft darzustellen und mich als Leserin zu packen, wirkt Robin marionettenhaft und grau. Seine Entscheidungen sind für mich bereits zu Beginn nicht erklärbar, Gefühle können nicht transportiert werden und so erlebte ich die Geschichte nicht mit Emotionen, sondern war gelangweilt von Robins Erlebnissen.

Neben Robin sind auch Ramy, Victoire und Letty sehr präsent und vor allem Ramy empfand ich einen interessanteren Charakter als Robin ihn darstellte. Im Gegensatz zu Robin hatte Ramy klare Meinungen, seine Aktionen wirkten nicht aus dem nichts kommend und konnten nachvollzogen werden (wenn auch nicht immer verstanden). Dennoch wirkten alle vier Charaktere nicht authentisch für die damalige Zeit, im Verbund mit den gesellschafkritischen Aspekten muss man sich einfach bewusstwerden, dass dieses Buch knapp 200 Jahre zurückliegt und dafür waren sie mir zu modern gestaltet oder anders gesagt: ich hatte nicht das Gefühl, dass ich im Jahre ~1830 bin.

Die Zeit war für mich auch ein weiteres Problem. Wir lernen Robin als kleines Kind kennen, irgendwann fängt er an zu studieren und die Jahre vergehen. Doch wie viele? Ich konnte mir zu keiner Zeit ein Bild darüber machen, wie alt die vier Freunde sind oder wie viele Tage/Wochen/Monate zwischen Absätzen vergangen sein mögen. Darin habe ich mich teilweise verloren gefühlt. Denn auch dieser Aspekt ist für mich wichtig, um mit den Charakteren mitfühlen zu können und sie authentisch zu finden, da man ihre Aktionen natürlich immer in Beziehung zu ihrem Alter setzt.

Diese fehlende Tiefe auf einigen Ebenen sorgt dafür, dass ich den Roman als oberflächlich empfand. Ich hatte das Gefühl, dass ich hier eine gefühlslose Zusammenfassung einer Trilogie lese. Die Grundidee des Buches hätte durchaus eine Reihe an Büchern verdient gehabt, um den Charakteren leben zu erwecken und die Leser:innen mit ins Abenteuer zu nehmen, anstatt nur von diesen zu berichten.

Spannung konnte sich auch nie aufbauen, stattdessen plätschert die Geschichte inhaltlich nur so dahin, um dann aus dem Nichts tragische Szenen darzustellen, die nicht ins Szenario passen.

Die Thematik der Silberbarren, der Sprache und der Verbund mit Geschichte war durchaus interessant und sowohl sprachlich als auch historisch hat die Autorin einiges zu bieten, was sie auch gerne durch ellenlange Fußnoten zeigt, doch an Gefühl und Authentizität fehlte es dafür an einigen Ecken.

Für mich war Babel daher leider eine Enttäuschung.

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